Sonntag, 29. August 2010

Meet The Maker & Maker´s 46

"Der hat eben 46%. Was soll da groß anders sein?" Diese Aussage kam mir vor einigen Tagen beim "Maker's Mark Senses Workshop" zu Ohren kurz bevor es an den neuen Maker´s 46 Bourbon ging. Dass die Rechnung so nicht aufgeht und die Sache doch ein wenig anders gelagert ist, stellte sich bald heraus. Aber beginnen wir doch von vorn.

Als Maker´s Mark Master Distiller Kevin Smith unsere kleine Stadt mit seiner Anwesenheit beehrte, war ich auch mit von der Partie um meine Sinne beim vorgenannten Workshop im Schumann's fortzubilden. Zunächst wurde ein gelungener Mint Julep als Begrüßungsdrink gereicht, was bei durchaus sommerlichen Temperaturen eine echte Wohltat war. Nach der kurzen Begrüßung durch Brand Ambassador Helge Müller und der Einleitung durch Distillerydiplomat Jonathan Ulrich bekam Kevin Smith das Wort. Dieser führte den erlauchten Kreis der Gastronomen und Bourbonfans durch das Tasting von vier Maker´s Mark Variationen (White Dog, under matured 1-2y, Red Wax, over matured ~10y). Eine - wie immer - hochinteressante Vorführung, was auch an der würzigen "over matured"-Probe aus Kevin´s kleinem Lagerbestand lag. Dazu gereicht wurden übrigens erstklassige Roastbeef- bzw. Käsecanapés aus Charles´ Küche.

Dann wurde es spannend. Der amerikanische Bourbonmaker empfing Whiskykenner und -autor Stefan Gabányi zu einem Gespräch über den erst kürzlich in den USA präsentierten Maker´s 46 am Tresen des Schumann´s. Zusammen analysierten die beiden den neuen Stoff und Kevin Smith lüftete offiziell das Geheimnis des 46. Dieser, nach der bewährten Formel und Lagerzeit hergestellte Maker´s Mark, erfährt eine Nachreifung in speziell präparierten Fässern. Nach der (erstaunlich kurzen) Entwicklungszeit von noch nicht einmal einem Jahr hatte man sich Ende 2009 auf ein Ergebnis aus über 120 Versuchsanordnungen festgelegt. "Wood Chef" Brad Boswell, der mit seiner Firma auch für die "normalen" Fässer aus amerikanischer Weißeiche verantwortlich
zeichnet, hatte bei seiner Versuchsnummer 46 (Aha!) sogenannte "Staves", relativ dünne, getoastete Brettchen aus franzöischer Eiche im Innern der Bourbonfässer befestigt und den Stoff in diesen präparierten Behältnissen (übrigens kleine Quarter Casks) einer nur acht- bis neunwöchigen Reifung unterzogen.
Das Ergebnis spricht für sich: In der etwas kräftigeren, aber dennoch runden Toffee/Honig/Vanille-Nase tut sich zunächst nichts wesentlich Neues (gegenüber der Standardversion) und der Taster erwartet den runden, weichen Red Wax Bourbon. Im Mund explodiert der Spaß (
Gabányi: "very spicy") dann aber gründlich. Der 46 überrascht mit Piment- und Zimttönen, vordergründig aber mit Minze, Eukalyptus und frischen Wiesenkräutern ohne seinen schon klassischen Soft Flavour (v.a. im langen Abgang) zu verlieren. Ein reichhaltiger, würziger Bourbon mit vollem Körper (94 proof - 47% Vol.) mit dem das Ziel der Maker (dem Publikum eine zusätzliche Variation ihres Bourbons zu schenken) voll erfüllt zu sein scheint. Mit Wehmut blickt der europäische Konsument folglich nach USA (ca. 35-40 US-$ für die 0,75l-Flasche), wo dieser Tage das zweite Batch ausgeliefert wird. Vielleicht 2011 soll die Einführung im DutyFree-Bereich folgen. Eine Markteinführung (und damit natürlich auch eine Ausweitung der Produktion) in Europa ist vorerst nicht geplant oder absehbar. Diese betrübliche Nachricht - an einem ansonsten gelungenen Nachmittag - ließ sich am besten mit den vom Schumann´s Personal bestens zubereiteten Whisky Sours, Markees und Horse´s Necks verkraften. Am Abend lud MM noch zur Bartour durch einige Münchner Etablissements.

(photo by bourbonbuzz)

Samstag, 14. August 2010

A History Of Drink - mehr als eine Sommerlektüre

Es gibt zum einen einen erstaunlichen Wust an Cocktailbüchern aus dem 19. und vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Zum anderen verweisen zahllose spätere Publikationen auf in diesen Büchern enthaltene Rezepturen, Beschreibungen und Erläuterungen und leiten daraus und aus so mancher Legende eigene Thesen ab. Meist läßt sich der Wahrheitsgehalt nicht überprüfen und ob eine Story nun wissenschaftlich abgesichert ist oder nicht, spielt beim Zitat, z.B. in einem Cocktailmenu, nur eine untergeordnete Rolle.

Ich möchte trotzdem an dieser Stelle an den Ernst der Sache erinnern und verweise dazu auf vier Büchlein, die geschichtswissenschaftlich die Herkunft der bekannten und unbekannten Spirituosen und der daraus hergestellten bzw. herzustellenden Mixgetränke untersuchen.

Da haben wir das Werk "Imbibe!" von David Wondrich, das man als wertvolle Sekundärliteratur zum weltweit bekanntesten, da augenscheinlich ersten, Cocktailbuch der Welt - "The Bartender´s Guide - How To Mix Drinks, Or The Bon-Vivant´s Companion" von Jerry Thomas - betrachten darf. Wondrich beleuchtet darin die Entwicklung der Mixgetränke vom Ende des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, stellt Technik und Ingredenzien vor, widmet sich ausgiebig den wichtigsten Drinks in Thomas´ Buch und fügt noch einen Teil mit modernen Recreationen bekannter Mixologen an. Wer sich halbwegs mit historischen Cocktails - den allseits angepriesenen Klassikern - auseinandersetzen will, sollte "Imbibe!" genau studiert haben. (David Wondrich, "Imbibe!", Penguin Books, 2007, ISBN 978-0-399-53287-0)

Sinn macht die Lektüre natürlich nur, wenn auch ein Exemplar des besagten Buches von Jerry Thomas aus dem Jahre 1862 vorliegt. Hier sei die optisch sehr gelungene Reproduktion aus dem Hause Mud Puddle empfohlen. Sie beinhaltet neben einer Einleitung von David Wondrich u.a. eine Wiedergabe von Textdokumenten aus dem Leben bzw. um das Wirken von Thomas aus den Jahren 1849 bis 1902. Darunter auch eine sehr lesenswerte Reportage aus "Bonfort´s Wine & Liquor Circular" vom 15.07.1871 über einen Besuch im Lagerkeller von Jerry Thomas´ Bar in New York. (Jerry Thomas, "The Bartender´s Guide - How To Mix Drinks, Or The Bon-Vivant´s Companion", Mud Puddle Books, 2008, ISBN 978-1-60311-166-9)

Kürzlich ist "Spirituous Journey - A History Of Drink - Book Two: From Publicans To Master Mixologits" erschienen. Anistatia Miller und Jared Brown machen damit dort weiter, wo sie mit ihrem "Standardwerk" (Mixology Magazin) aufgehört hatten. Das Book One hatte den Untertitel "From The Birth Of Spirits To The Birth Of The Cocktail". Beide Bücher zusammen ergeben rund 500 Seiten aktualisierte Informationen, Fakten und belegte (!) Geschichten rund um Spirituosen, Leute und Drinks. Ein echtes Lesevergnügen! (Anistatia Miller & Jared Brown, "Spirituous Journey Book One", Mixellany Books, 2009, ISBN 978-0-9760937-9-4 und "Spirituous Journey Book Two", Mixellany Books, 2010, ISBN 978-1-907434-06-8)

Die beschriebenen Publikationen sind bislang nur in englischer Sprache - tw. auch als E-Book - erschienen und bei allen großen internationalen (Online)Buchhändlern erhältlich.