Samstag, 25. Juni 2011

Kleine Schnapsologien...

Komischerweise hält man mir in den letzten Wochen da und dort immer wieder Schnapsologien unter die Nase. Schnapsologien? - Ja, so nennen sich u.a. zwei Bücher von Jan Herchenröder, einem deutschen Autor, der diese prächtigen, kleinen Werke Anfang der 50er Jahre veröffentlichte. Aus dem Jahr 1953 stammt "Cheerio - Gin Gin - Eine kleine Schnapsologie" (auch zu haben als "Cocktail-Stündchen mit der Bosch-Kühlbar") auf das ich kürzlich schon einmal Bezug nehmen durfte. Neben dem etwas bizarren "KC 25" werden dort ein paar andere Cocktailklassiker vorgestellt, wobei es aber nur am Rande geht. "Cheerio - Gin Gin" ist vielmehr eine Sammlung von Anekdoten und ein wertvoller Zustandsbericht der gehobenen Trinkgesellschaft im Nachkriegsdeutschland - einfach ein amüsantes und oft überraschendes Büchlein.Die gleiche Bewertung steht "Rum ist in der kleinsten Hütte - Eine neue Schnapsologie" (1955) zu. Die dort erwähnten Drinks heißen Grog, Cuba Libre und Daiquiri... Tja. Aber es geht nicht nur um Rum, sondern auch um Cognac, Gin und Calvados. Ich wünsche mir mittlerweile für manchen Drink auch oft eine "Zitronenspirale, die sich in Ihr Hirn windet, um die lästigen Gedanken herauszuziehen wie der Korkenzieher einen hartnäckigen Pfropfen". Großartig!

Genauso unterhaltsam sind auch das Kochbuch "Duelle mit dem Bratspieß" (1963), der Ratgeber "Happy Enten - Eine kleine Ehelogie" (1954) sowie ein Band namens "Die Hausbar im Barockaltar" (1960), in dem Herchenröder u.a. der viel zu selten gestellten Frage "Müssen Kamele über Teppiche trampeln?" nachgeht, gelungen. Diese sind wie auch das vorzügliche und mit wieder etwas mehr Bar- bzw. Spirituosenbezug ausgestattete "Ella singt in der Garage - Parties mit Jan Herchenröder" (1961), das zahlreiche Punchrezepte (Gothic Punch!) enthält, bei den bekannten Onlinehäusern für einige wenige Euros oder gar nur Cents zu haben sind.
Kaufen!

Mittwoch, 22. Juni 2011

Dogfish Head Craft Brewery @ DMAX

Thema: Bier - genauer: Kreative U.S.-amerikanische Kleinbrauer (davon gibt es rund 1600!) im deutschen Fernsehen - noch genauer: Auf dem "Männersender" DMAX liefen letzte Woche sechs Folgen der Serie "Brewed" (eingedeutscht: "Die Braumeister - Künstler am Kessel"), in der Sam Calagione von der "Dogfish Head Craft Brewery" vom "Miles Davis - Bitches Brew" bis zum Inka- und Pharaonenbier zeigt, zu was man unter grober Missachtung des Reinheitsgebots in Sachen Braukunst fähig ist.
Zu sehen gibt es das ganze online auf der Heimseite von DMAX. Prädikat: sehr empfehlenswert!

Gourmetkaffee von Johannes Bayer

Anfang Juni ging die WBC 2011 über die Bühne. Nein, das ist weder ein Weltboxverband noch geht es dabei um Sackhüpfen. Die jährlichen World Barista Championship sind vielmehr die offiziellen Barista-Weltmeisterschaften. Wer es nicht glaubt oder Fragen zum Modus usw. hat, sollte sich auf der Webseite umsehen und v.a. die Videos der Teilnehmer aus El Salvador (Platz 1) und Japan ansehen. Alle anderen Clips sind natürlich auch zu empfehlen, sofern man sich mit kreativem Verhalten hinter einer (Kaffee)Bar beschäftigt. Doch davon wollte ich gar nicht berichten.

Ich hatte das Vergnügen Herrn Johannes Bayer, seit fast einem Jahr der offizielle Hoflieferant der "Goldenen Bar" in München in Sachen Kaffee, bei seiner beruflichen Tätigkeit, dem Kaffeerösten, über die Schulter zu schauen und ihn dabei zu interviewen. Bevor es an seine Betriebsgeheimnisse geht, kommt hier zunächst eine kurze Zusammenfassung in Sachen Kaffeeproduktion.

Nun, dass Kaffeebohnen auf Kaffeesträuchern wachsen, ist allgemein bekannt. Nicht ganz so verbreitet sind Informationen zu den Kaffeekirschen. In diesen olivengroßen Früchten schlummern in der Regel - eingebettet in saftiges Fruchtfleisch - zwei Kaffeebohnen. Die Sträucher selbst wünschen sich ein möglichst konstantes Klima und werden daher weltweit in tropischen und subtropischen Gefilden angebaut. Allerdings darf es nicht zu heiß sein und eine gesicherte Bewässerung muss auch bestehen. Dafür eignen sich folglich gebirgige Landschaften, die auch gleich die richtige Bodenbeschaffenheit aufweisen können. Die Top-Anbaugebiete finden sich z.B. in Äthiopien, Kenia, Guatemala, auf Jamaica oder in Indien. Davon hat man durchaus schon gehört. Ebenfalls bekannt sind die Begriffe "Arabica" und "Robusta". Diese beschreiben die beiden biologischen "Grundarten" von Kaffeesträuchern, die faktisch 100% der Anbauflächen belegen. Jedoch gibt es beim Arabica rund 100 Unterarten, die z.T. grundlegend verschiedene Geschmacksprofile aufweisen.

Die Kirschen werden idealerweise bei Vollreife von Hand gepflückt. Dann wird es besonders interessant, denn die Aufbereitung nach der Ernte (Fachausdruck: Processing) hat erheblichen Einfluss auf Geschmack und Verwendungsmöglichkeiten des Kaffees. Hier wird generell zwischen "natural" (Trocknung der Bohnen in der Kirschenfrucht) und der nassen Aufbereitung unterschieden, bei der das Fruchtfleisch vorher entfernt wird. Im "Pulper" werden die Bohnen aus den Kirschen gequetscht und dann entweder mit Resten behaftet ("pulped natural"), mechanisch ("semi-washed") oder über Milchsäurebakterien ("fully-washed") gereinigt. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn die Aufbereitung hat großen Einfluss auf das Geschmacksprofil der Bohnen. Grundsätzlich haben "pulped natural" Kaffees mehr Süße, da die Bohne mehr Kontakt zum Fruchtfleisch hatte und so mehr Zucker in die Bohne eindringen konnte. "Fully-washed" Bohnen haben hingegen mehr (trockene) Fruchtnoten. Eine besondere Art der Aufbereitung ist das in Indien verwendete Verfahren, die Bohnen in der Trocknungsphase dem Einfluss des Monsuns auszusetzen. Diese Produkte nennen sich denn auch "Monsooned" und zeichnen sich durch besonders wenig Säuregehalt und erdige Aromen aus.

Die angebaute Arabica-Varietät, das Terroir und Klima der Farm bzw. der Einzellage sowie die Aufbereitung haben also größten Einfluss auf das Rohprodukt, dass dann beim Röster landet. Wie der "seine" Kaffees findet, wird Johannes Bayer im Folgenden erklären. Bevor es losgeht, noch ein Wort zur Umgebung: Wir stehen während des Interviews in einem kleinen Kellerraum, der von einer funkelnden Röstmaschine dominiert wird. In einem Holzregal finden sich schon geröstete Bohnen - professionell verpackt. In rund zehn Kaffeesäcken lagern die Rohkaffees. Die Maschine hat Johannes zum Aufheizen gestartet, weshalb diese schon vernehmlich summt und brummt.

whatadrink: Seit wann röstest Du Kaffee und wie bist Du zu diesem Gewerbe gekommen?

Ich röste seit einem Jahr gewerblich und für mich privat schon seit 4 Jahren. Los ging es natürlich mit dem Kaffeetrinken und im Speziellen mit der Kaffeerösterei Vits in München, wo ich den für mich besten Kaffee in Deutschland gefunden hatte. Und ich hatte wirklich alles ausprobiert. Von Vits bekam ich dann auch meinen ersten kleinen Röster mit dem ich drei Jahre lang in der Garage und auf Terrasse meinen Kaffee geröstet habe. Und als mich meine Eltern mit den Räumlichkeiten und beim Kauf einer neuen, größeren Röstmaschine unterstützten, wagte ich den Sprung.

wad: Du hast aber jetzt keinen eigenen Laden außer Deinem Internetshop?

Ja, genau. Ich versuche mich eben über die Gastronomie zu etablieren. Ein richtiges Ladengeschäft ist noch nicht drin. Wenn der Gast zum Barista sagt "Boah! Der Kaffee war gut.", dann ist das die Rückmeldung, die Gastronom und Röster haben wollen.

wad: Welche Menge Kaffeebohnen röstest Du im Jahr?

Hm. Lass mich mal rechnen. Also im ersten Jahr habe ich rund 2 Tonnen Kaffee geröstet.

wad: Oha. Wieviele Säcke sind das oder besser: Wieviel Kaffee ist denn in einem Sack? Und aus welchem Material sind die hergestellt?

Das ist unterschiedlich. In einem brasilianischen Sack sind 60kg, Mittelamerika 69kg, Kolumbien 70kg und in einem indischen nur 50kg. Auch das Material ist sehr verschieden, je nach Herkunft. Der brasilianische Sack hier ist aus Kunststoff. Dieser afrikanische aus einem recht minderwertigen Kunststoff-Jute-Gemisch. Der Trend geht aber zu in Blockform vakuumierten Kaffees.

wad: Wie lange ist der Rohkaffee denn eigentlich lagerfähig?

Lagerfähig ist der Kaffee 100 Jahre. Ob der dann noch schmeckt, ist die Frage. Ich habe mich für Kaffeehändler aus England bzw. London entschieden. Es gibt dort "coffee hunter", die die besten Kaffees der Welt suchen und von denen lasse ich mir Samples schicken, aus denen ich dann das für mich Beste aussuche. Die haben - so wie ich - die Vorstellung, dass Rohkaffee nicht älter als ein Jahr sein sollte und die verkaufen auch keinen älteren. Auktionsware wird in Zukunft übrigens nur noch vakuumverpackt gehandelt, um eine noch bessere Frische des Rohkaffees zu erreichen und um zu verhindern, dass die Kaffees nach längerer Lagerung nach Jute schmecken.

wad: In welchen Mengen kaufst Du Deinen Kaffee?

In England muss ich mindestens eine Palette mit 12 Säcken nehmen, was mir aber ganz recht ist. Außerdem ist der Service dort super. Bei den erwähnten Weltmeisterschaften hatte der Sieger übrigens auch einen Kaffee, der dort erhältlich ist (und auch von einer englischen Rösterei geröstet wurde). Der "El Salvador La Ilusión" ist auf jeden Fall ein Traum. Den habe ich auch schon oft getrunken. Da gehen Dir echt die Poren auf. Als ich hörte, dass dieser Kaffee dort zum Einsatz kommt, war mir klar, dass der Barista auch allerbeste Siegchancen hat.

wad: Aus welchen Ländern kommen die Kaffees, die Du gerade im Lager hast?

Eigentlich von überall her: Indien, Indonesien, Guatemala, Äthiopien, Tansania usw.

wad: Wo liegt eigentlich, wenn wir gerade über Herkunft und Wareneinkauf reden, der Unterschied zu den ganz Großen der Branche? Die haben doch eigene Einkaufswege und kaufen nicht beim Händler in Hamburg, oder?

Doch, die kaufen dann natürlich nicht über die Spezialitätenabteilung, sondern über das Großlager ein. Bohnen gibt es dort auch in einem gigantischen Vakuumsack, der einen ganzen Container ausfüllt. Letztlich gibt es auch für mindere Qualitäten wie Bruchkaffee Abnehmer. Dieses Material kann dann natürlich nicht als ganze Bohne verkauft werden, sondern landet in Kaffeepulver.

wad: Zurück zu den Rohkaffee-Spezialitäten. Die kann man also sackweise mit allen Infos zu Hersteller, Lage, Veredelung, Jahrgang etc. kaufen?

Ja. Dazu muss man natürlich gewerblich tätig sein. Ich lasse mir Samples - meist von allen angebotenen Kaffees des jeweiligen Händlers - schicken, die ich dann hier rösten und verkosten kann.

wad (Jetzt geht es ans Rösten.): Johannes, Du musst mir jetzt immer erzählen, was Du gerade machst.

Nachdem sich der Röster aufgeheizt hat, hab ich 2,2kg Rohkaffee in die Rösttrommel - übrigens aus 1,5cm dickem Material - gegeben. Aufgrund der Stärke dauert das Aufheizen ein bisschen. Die Temperatur ist nochmal gefallen, als der Kaffee in der Trommel gelandet ist. Jetzt wird nochmal ordentlich aufgeheizt. In der ersten Phase verliert der Kaffee (der rund 12% Restfeuchtigkeit enthält) eigentlich nur Wasser. Durch den Temperaturanstieg dehnen sich Wasser und Fette in der Bohne aus und die Bohnen schwellen richtig an. Der gestiegene Innendruck durch diese Expansion entlädt sich dann hörbar durch ein Knacken/Poppen. Bei weiterem Anstieg der Temperatur folgt sogar noch ein zweites Knacken/Knistern. Aber in diese Phase röste ich gar nicht mehr rein, weil das ist mir dann schon zu dunkel. Viele rösten noch in diese Phase rein oder bis zum Beginn des zweiten Cracks.

wad: Die Stoppuhr läuft immer mit?

Hm ja. Bei den ersten beiden Röstvorgängen ist die Temperaturkurve noch nicht stabil. Erst ab dem dritten Durchlauf ist der Röster perfekt aufgeheizt und dann krieg ich das auch ohne auf die Uhr zu sehen nur über das Bohnenbild hin.

wad: Der gesamte Röstvorgang dauert rund 20 Minuten?

Nein, ich röste Espresso nur 15 und Filterkaffee lediglich 13 Minuten. Bei letzterem gehe ich mit der Temperatur sogar noch höher, weil ich die Fruchtsäure haben möchte. Wenn ich bei heller Röstfarbe länger rösten würde, würde Kaffee wie Brot schmecken. Er würde auch eher backen als rösten. Mein Kaffee soll frisch und erfrischend sein. Ein Filterkaffee soll nicht sauer, sondern fruchtig sein. Klar und nicht nach Brot. Darum wähle ich eine höhere Temperatur und röste dafür nicht so lange.

wad: Massenware wird doch wesentlich kürzer geröstet?

Ja. Die rösten nur 4-5 Minuten mit 600°C. Da kann man manchmal, wenn man die Bohne aufbricht sehen, dass die außen verbrannt und innen roh ist. Solches Bohnenmaterial ist übrigens für die Mahlwerke von Vollautomaten denkbar ungeeignet und bedeutet auf Dauer den Tod derselben durch Verfetten und Verschmieren. Der Kaffee sollte idealerweise von außen nach innen die gleiche Durchröstung haben und das erreicht man mit einer gewissen Mindestzeit, die der Kaffee in der Trommel verbringt.

wad: Und wie lange sollte der Kaffee nach dem Rösten ruhen um sein volles Aroma zu erreichen?

Sein volles Aroma erreicht der Kaffee erst nach rund einer Woche, da er noch sehr viel CO² ausgast. Acht bis neun Tage wären sogar noch besser.

wad: Ah - und wie ist das dann mit der Verpackung? Wird der Kaffee zuerst eine Woche zwischengelagert und dann verpackt?

Ich verpacke den Kaffee relativ frisch. Ich benutze Zip-Beutel mit Aromaventil, was besser ist als Vakuumverpackungen, da der Kaffee so "leben" und das CO² entweichen lassen kann. Das ist zwar die teuerste Verpackung, aber das sollte bei sowieso schon höherem Preisniveau dann noch drin sein. Die Kunden brauchen dann zuhause nichts mehr umfüllen, sondern haben eine wiederverschließbare Verpackung.

wad (Offenbar geht es jetzt in die heiße Phase. Johannes kontrolliert die Bohnen jetzt ständig über einen kleinen Kontrollschieber.): Wie sieht es mit Biokaffee aus?

Also ich bin kein Freund der ganzen Siegel "Öko", "Bio", "Fair", etc. Letztlich muss der Kaffee schmecken. Außerdem sind die meisten Kaffees sowieso "Bio". Insbesondere die afrikanischen Kaffees sind zu 90% biologisch angebaut - auch ohne Siegel. Kleine Produzenten können sich die Zertifizierung einfach nicht leisten und die ganzen Programme fressen einfach unheimlich viel Kohle. Oder nimm mal "Fairtrade". Das sichert dem Kaffeebauern einen gewissen, höheren Preis. Das ist aber kein Ansporn, ein besonders gutes oder noch besseres Produkt auf den Markt zu bringen, wenn ich weiß, dass ich sowieso einen guten Preis bekomme. Ich glaube, dies bei vielen "Fairtrade"-Kaffees zu schmecken. Das heißt aber bitte nicht, dass "Fairtrade"-Ware schlecht wäre. Es gibt sogar extrem gute Sachen in diesem Bereich. Aber ein Siegel ist für mich kein Kaufgrund. Meine Kaffees sind alle praktisch "Fairtrade", da sie ohne Zwischenhändler direkt vom Foodhunter beim Bauern gekauft werden. Und der bekommt relativ börsenunabhängig den Preis, den seine Qualität eben wert ist.

wad (Aus der Röstmaschine ist jetzt das Poppen der Bohnen zu hören - der "1st crack"): Jetzt mal zur Frage "Mischung oder reinsortiger Kaffee". Dein Kaffee für die "Goldene Bar" ist eine Mischung. Wieviele einzelne Kaffees sind da drin?

Vier.

wad: Und die werden zunächst einzeln geröstet und dann geblendet?

Ja, genau.

wad: Und woher stammen diese vier?

Die sind sogar aus verschiedenen Ländern.

wad: Aber Deine Kaffees hier könnten auch alle solo getrunken werden?

Ja. Die sind alle so ausgewählt, dass sie auch als Single Origin funktionieren. (Der Kaffee ist fertig geröstet. Johannes schüttet ihn aus der Trommel in eine Art Abkühlbehälter.) Siehst Du, der ist relativ hell. Man muss auch Bedenken, dass der Kaffee noch nachdunkelt.

wad: Ich finde, dass das Bohnenbild, also die Form, Farbe und Größe der gekauften Bohnen, von Anbaugebiet zu Anbaugebiet und von Röster zu Röster total unterschiedlich ist.

Afrikanische Kaffees sind meist sehr schlecht sortiert. Da könnte man noch einiges an Qualität rauskitzeln. Es gibt äthiopische Micro Lots, die sind echt der Wahnsinn.

wad: Fällt das dann unter den Begriff "Wildkaffee"?

Viele Röster verkaufen mittlerweile Wildkaffees, aber es gibt eigentlich keinen echten Wildkaffee im Verkauf. Richtiger Wildkaffee wird nur von den Leuten vor Ort konsumiert. Der Geschmack ist auch schlecht, da der Kaffee eben nicht kultiviert ist. Mich wundert es, dass man diese sog. Wildkaffees überhaupt unter dieser Bezeichnung verkaufen darf.

wad: Wie groß sind die Unterschiede in der Qualität zwischen einzelnen Jahrgängen - also durch äußere Einflüsse wie Klima, Wetter, etc.?

Die sind riesig. Vor allem wirkt sich eine ungünstige Situation gleich auf mehrere Jahre aus. Wenn also eine Ernte schlecht ist, dann kann man davon ausgehen, dass die nächsten zwei oder drei auch nicht gut sein werden. Die Pflanze braucht einfach sehr lange um sich von einem Schock zu erholen. In Kenia war das Wetter letztes Jahr ziemlich schlecht. Die Qualität ist ziemlich am Boden - bis auf die Ware von einigen wenigen Bauern. Dieses Jahr ist die Qualität aber nochmal gesunken und dazu gab es eine Dürreperiode und dann wieder Überschwemmungen. Man kann sagen, dass es für Kenia in den nächsten Jahren nicht gut aussieht. Das tut mir sehr leid. Kenia war für mich DER Produzent für fruchtige Filterkaffees. Ich hatte Kaffees, die nach Heidel- oder Johannisbeeren schmeckten. Kalt hätte man die z.B. für Eistee mit schwarzer Johannisbeere halten können. Aber dafür kommen wieder andere Länder auf: Malawi oder Tansania z.B.

wad: Du hast mir vorhin gesagt, dass Du hässliche Bohnen verkaufst, weil Du sie nicht ausröstest bis sie (wieder) glatt sind. Was ist jetzt das Unschöne an Deinen Bohnen hier?

Nimm sie mal in die Hand. Die Falten hier an der Oberseite könnte man noch ausrösten. Dann geht es in Richtung des zweiten Cracks und der zweiten Expansion. Die Bohne würde deutlich größer werden.

wad: D.h. dann wären Temperaturen von über 200°C nötig und die Bohne würde sich durch den Innendruck nochmals aufblähen.

Genau. Die Außenhülle reißt dann auf und Kaffeeöle können entweichen. Bei vielen dunkel gerösteten Kaffees sieht man das deutlich.

wad: Die Bohnen glänzen dann mehr oder weniger stark?

Ja stimmt. Für manche ist diese Öligkeit ein positives Qualitätsmerkmal. Die halten einen trockenen Kaffee dann für alt und eingetrocknet. Man muss es natürlich anders herum beurteilen. Meine beiden Kaffees aus Äthiopien und Tansania sind z.T. schlecht sortiert und die Bohnen sind sehr klein und kugelförmig. Da darf man sich nicht zu sehr auf das Auge verlassen, wenn man Kaffee kauft.

wad: Hängt an dem Handel mit Kaffee nicht auch ein größerer Verwaltungsaufwand?

Das was Du hier siehst ist mein Zolllager. Jedes entnommene Kilo muss aufgezeichnet und verzollt werden. Außerdem gibt es noch die Kaffeesteuer von 2,19 EUR pro Kilo Röstkaffee. Wenn Du das und alles anfallenden Kosten auf Billigkaffees umrechnest, dann bleibt für das Ausgangsprodukt nicht einmal der Weltmarktpreis. Dabei verliert der Kaffee durch das Rösten 20% Gewicht. Allerdings wird in den Großanlagen mit Wasser gekühlt, was die Bohnen durch Wasseraufnahme wieder schwerer macht. Durch die superkurze Röstzeit bei hohen Temperaturen verliert der Kaffee aber schon vorher weniger Wasser.

wad: Zum Abschluss - Was sind die Trends in der Kaffeeszene?

Naja. Ich finde es spannend den Kaffee "sprechen zu lassen". Man muss mit einer Mischung nicht immer den "perfekten" und runden Kaffee kreieren. Man kann z.B. eine Bohne auf zweierlei Arten rösten und diese zwei Röstungen dann blenden, um Eigenarten der Bohne herauszuarbeiten. Der Kaffee behält seine Ecken und Kanten. In Sachen Zubereitung hoffe ich, dass das, was in England, USA und Skandinavien läuft auch bei uns wieder kommt: Der Filterkaffee - auch in der Gastronomie.

wad: Aber da spricht doch unsere Italienabhängigkeit dagegen.

Nein, das ist eher ein Münchner Problem. In Hamburg oder Berlin ist man da schon weiter. Man ist dort offener und hat auch nicht die italienischen Sorten im Ausschank. In München wird das ein paar Jahre länger dauern bis handaufgebrühter Kaffee und French Press sich weiterverbreiten. Insgesamt gibt es in Deutschland beim Kaffee noch viel Nachholbedarf in Sachen Qualitätsbewusstsein.

wad: Johannes, wie siehst Du als Röster und Barista das Verhältnis von Gourmetkaffee zu trendigen Kaffeedrinks wie z.B. Cappuccino?

Das Außergewöhnliche beim Kaffee ist für mich, dass er sich als Bohne entwickelt, dann wird er geröstet und entwickelt sich weiter - irgendwann, falls er länger gelagert wird, auch wieder zu seinem Nachteil. Frisch zubereitet entwickelt er sich auch weiter, z.B. bei Abnahme der Temperatur. Wenn der kalte Kaffee dann seine Fruchtnuancen offeriert, dann ist das der Wahnsinn. Bei Cappuccino fällt dieser Effekt weg. Dafür spricht der Cappuccino mit einem Superschaum das Mundgefühl an. Wobei Schaum ist nicht der richtige Begriff. Es muss eine Creme sein. Du musst beim Trinken das Gefühl haben, eine Creme zu schlürfen. Schlecht ist also, wenn Du oben eine Schaumschicht hast und zunächst den flüssigen Teil - das Milch-Kaffee-Gemisch - drunter wegtrinkst und im Anschluss die Tasse auslöffelst. Das ist die glatte Themaverfehlung! Ein Tip dazu noch: Man darf auf keinen Fall bei der Milch sparen. Eine Frischmilch ergibt einen wesentlich besseren Cappuccino als eine H-Milch o.ä.

wad: Ich danke Dir für das Gespräch und den köstlichen Kaffee.

Ach ja. Wir klammern uns ja gern an ungeschriebene Gesetze, wenn wir uns in einem bestimmten Bereich nicht auskennen. In Sachen Kaffee sind das z.B. Thesen wie "Den besten Kaffee gibt es in Italien" oder "Kaffee immer im Kühlschrank/Gefrierschrank aufbewahren" oder "Der billigste Espresso aus italienischen Supermärkten ist besser als alle Espressi, die bei uns verkauft werden" oder "Die Crema zeigt, ob der Espresso von hoher Qualität ist" usw. Das ist freilich Unsinn. Europas führende Kaffeegenießer sind England, Norwegen und Dänemark. Danach kommt lange nix. Der eingefrorene Kaffee sollte auch längst Geschichte sein und die in der Regel sehr dunkel gerösteten (süd)italienischen Espressi verlangen von Natur aus nicht nach hochwertigsten Bohnen. Wobei es natürlich auch in Bella Italia einige sehr gute Spezialitätenröster gibt. Die Crema ist nett anzusehen, ist aber eher ein Merkmal für einen geschickten Barista und eine gute Ausrüstung als für die Kaffeequalität. Bei der oben erwähnten WBC 2011 wurde die Crema vor dem Servieren von manchem Teilnehmer sogar abgefiltert! In dem Zusammenhang fällt mir noch die Preisfixiertheit der Deutschen ein. Meine Oma hat Kaffee früher immer gekauft, wenn er besonders billig war. Die "billigen" Bohnen hat sie dann, wenn der Preis wieder gestiegen war, zurück zum Röster getragen, um sie dort frisch mahlen zu lassen. Aber lassen wir das... Bei mir ist der Kaffeevirus auf jeden Fall wieder voll ausgebrochen. Verdammt, gerade heute hat der Wasserkocher den Geist aufgegeben...

Hier noch die Kontaktdaten:

Kaffee-Rösterei Johannes Bayer
Lindenstr.30
85247 Schwabhausen

Tel.: 0152 53975859
E-Mail.: info@jbkaffee.de



BAREFOOT COFFEE // FRENCH PRESS from MKSHFT/CLLCTV on Vimeo.

Freitag, 17. Juni 2011

Ardbeg Alligator @ Dr. Bill's Grill

Der Marketingmann sei bei seinen Ausführungen zur neuesten Whiskykreation fast eingeschlafen. Als er aber das Wörtchen "Alligator" im Zusammenhang mit dem guten Tropfen erwähnte, sei der gute Mann dann aber schnell wieder wach gewesen. Diese Episode erzählte uns diese Woche Dr. Bill Lumsden, der "Head of Distilling and Head of Whisky Creation" bei "Glenmorangie" und "Ardbeg", und der zusammen mit Rachel Barrie ("Whisky Creator & Master Blender" beim gleichen Verein) Verantwortliche für den neuen "Ardbeg Alligator". Dieser Stoff ist seit zwei Wochen für die Mitglieder des "Ardbeg Committees" erhältlich und wird ab September in regulärer Abfüllung in Deutschland zu haben sein.
Im Rahmen einer Promotiontour lud "LVMH", der Eigentümer der beiden Marken, nach München ein, wo nach einem Tasting im Schumann's und einer Präsentation in der offiziellen deutschen "Ardbeg Embassy", Whiskyshop Tara am Rindermarkt, auch noch ein Grillabend unter dem Motto "Dr. Bill's Grill" stattfand. Die rund 60 Gäste wurden nach einem kleinen Apéro mit Wollschweinschinken, Roastbeef und Wachtelspiegelei (oder Spiegelwachtelei?) von Antonio Dalle Rive (Moet Hennessy Deutschland) begrüßt. Er stellte auch gleich Dr. Lumsden vor, der ein wenig später im Wohnraum des angemieteten Innenstadtlofts den beeindruckenden "Glenmorangie Signet" en detail vorstellte.
Bevor die Crew des Münchner Barzirkels, angeführt von Klaus St. Rainer (Goldene Bar) und Marco Beier (Padres) und unterstützt von Toni Molotov (Goldene Bar/Barista), Drinks wie "Astar Old Fashioned", "Signet Padovani" oder "Ardbeg Julep" unter das Volk bringen konnte, erhielt "Käfer"-Wiesnchefkoch Andreas Schinharl das Wort. Schinharl und sein Team hatten die Aufgabe die hungrigen Gäste mit allerlei Gegrilltem bei Laune zu halten. Der Meister an der Holzkohle stellte die vorbereiteten Gaumenfreuden vor und machte dabei deutlich, dass wirklich gutes Fleisch nicht nur aus kleinen Betrieben, sondern insbesondere aus heimischer Viehzucht stammen sollte. Seine Resultate überzeugten die verwöhnten Münchner Gaumen in der Folge voll und ganz.
Der Auftritt der "Ardbeg Ladies" kündigte dann den Hauptpunkt des Abends an: Die Präsentation des neuen "Ardbegs". Dr. Lumsden wurde bei seinen Ausführungen zu Entstehung, Herstellung und Geschmacksprofil nicht nur von den - wie immer - entzückenden Damen, sondern auch von Alligator Otto unterstützt. Ich fasse kurz zusammen: Ein Anteil von rund 30-35% des Reptils (nein, nicht von Otto) stammt aus sehr stark ausgeflammten Fässern (Charring Grade 4). Die Innenseite dieser 250-Liter-Hogsheads ähnelt in ihrer Oberflächenstruktur der Rückenseite eines Alligators - daher der Name. Da ein 100%iger "Alligator" viel zu intensiv wäre, wird mit "normalem" Ardbeg aus gewöhnlichen Bourbonbarrels geblendet. Abgefüllt wird der Leckerbissen, der weit weniger süß ist als z.B. der "Ardbeg TEN", aber dafür vollwürzig und komplex überzeugt, mit 51,2% Vol. Kompetente Tasting Notes lassen sich hier und da finden, weswegen ich an dieser Stelle auf meine Anmerkungen verzichte und lieber Dr. Lumsden ein paar ergänzende Fragen stelle:

whatadrink: Dr. Lumsden, in welcher Region ist das Peat Level des "Alligators" angesiedelt?

Dr. Lumsden: Der "Alligator" hat rund 50-55ppm - liegt also auf dem Standardlevel für Ardbeg.

wad: Wie alt sind die Whiskys, die für den "Alligator" verwendet wurden?

Die sind zwischen 10 und 12 Jahren alt.

wad: Werden Sie die leeren "Alligator"-Barrels wiederbefüllen?

Das ist eine gute Frage. Ja, wir haben bereits wieder New Spirit in diesen Fässern. Ich bin gespannt, wie sich der Whisky entwickeln wird.

wad: Eine Legende von "Ardbeg" ist der 17y. Da "Ardbeg" nun schon wieder eine ganze Zeit produziert, wäre es theoretisch möglich einen "neuen" 17y zu kreieren. Wie sehen Ihre Planungen dahingehend aus?

Ich plane nicht mit einer Recreation des alten 17y.

wad: Der hatte doch auch große Schwankungen in den einzelnen Batches?

Ja, das stimmt. Zuletzt waren die Whiskys schon 22 oder 23 alt, die in den 17y flossen. Die hatten natürlich ein ganz anderes Profil.

wad: Wie steht es mit neuen Single Cask Abfüllungen?

Nun, unsere Lagerbestände an Whisky aus z.B. den 70ern sind nicht mehr groß. Aus den 60ern haben wir praktisch nichts mehr. Aber es wird wieder ältere Single Cask Abfüllungen geben. Die sind dann natürlich auch etwas teurer.

wad: Noch eine Frage zum "Signet": Ein Bestandteil ist Whisky aus den sog. "Designer Casks", also Fässern, die aus Glenmorangies eigenem American White Oak-Holz und nach Ihren Vorgaben hergestellt werden und die für eine gewisse Zeit - wohl vier Jahre - mit Bourbon befüllt werden. Was geschieht mit dem American Whisky aus diesen speziellen Fässern?

Zuerst hatten wir Whisky von "Heaven Hill" zur Reifung. Jetzt ist es aber "Jack Daniel's", da wir sehr gute Beziehungen zu "Brown-Forman" haben. Unsere Fässer stammen ja auch von der "Bluegrass Cooperage". Was die Amerikaner danach mit ihrem Whisky machen, geht uns nichts an.

wad: Vielen Dank, Dr.Lumsden.

Abschließend nochmals vielen Dank für die Einladung zu diesem gelungenen Abend. Wenn ich nicht schon ein Anhänger der beiden Marken wäre...
(Foto: Herr Gabányi und die Ladies)



Freitag, 10. Juni 2011

Wiedervorlage Rye Whiskey: Willett Single Barrel 3y

"If the ocean was whisky,
And I was a duck,
I'd dive to the bottom
To get one sweet suck"

Stop! Meister Cave hatten wir ja kürzlich schon als Einleitung. Zum Thema Rye Whiskey
und dessen vermeintlicher Verknappung durch geringe Produktionsmengen wurde zuletzt sogar im "Malt Advocate" (Volume 19, Nr.4, Winter 2010) Stellung genommen. Dort führt Ex-Maker's Mark Master Distiller Dave Pickerell, einer der Männer hinter dem hochdekorierten "Whistle Pig Straight Rye Whiskey" (ein 10-jähriger 100%-Rye, abgefüllt mit 50% Vol.) , das "Ryeloch" auf die um 20% gestiegene Nachfrage nach Roggenwhiskey in 2006 und die erst zwei Jahre später erfolgte Reaktion der U.S.-Distiller zurück. Er sieht den kurzfristigen Ausweg aus der Misere in den Lagerbeständen der kanadischen Whiskeybrenner, die ihren Blends, die bekanntlich einen großen Teil Neutralsprit enthalten, zur Würzung traditionell gelagerten Rye zugeben.

Vor einigen Tagen nun kam eine neue Abfüllung in Deutschland auf den Markt: Die "Kentucky Bourbon Distillers Ltd." haben mit ihrem "Willett Straight Rye Whiskey" einen "Family Estate Bottled Single Barrel Rye" im Alter von jugendlichen 3 Jahren und mit satten 57,8% Vol. Alkoholstärke in der leider sehr geringen Auflage von 228 (!) 750ml-Flaschen an den Start gebracht. Ein so junger Rye? Als Single Barrel? Für rund 40 EUR (brutto)? Das ist eine echte Überraschung! Der letzte "Willet Rye" kam schließlich als 25jähriger mit "nur" 47% Vol. und für rund 160 EUR (brutto) zu uns.
Der laut Etikett "Rare Release" wurde in Indiana destilliert und wie gewohnt bei "KBD" in Bardstown, Kentucky, gebottlet. Indiana? Ja, genau. Von der dortigen Destillerie in Lawrenceburg kamen/kommen schon die Abfüllungen "High West Rye 12y", der neue "Bulleit Rye" und wohl auch der "Redemption Rye". Nehmen wir also an, dass auch der Neue aus dieser Quelle stammt. Über die Mashbill des "Willett" ist mir noch nichts bekannt - Anfragen laufen.
Trotz des relativ hohen Alkoholgehalts, wie er sonst nur die "Thomas H. Handy"-Abfüllungen von "Buffalo Trace" kennzeichnet, eröffnet sich im Glas eine typisch-würzige, appetitanregende Ryenase. Frisch geöffnet hatten noch spritige Alkoholdämpfe dominiert. Jetzt mit ordentlichem Sauerstoffkontakt sieht das gleich ganz anders aus. Im Vergleich zum kräuterig-minzigen "Michter's Single Barrel Straight Rye" (42,4% Vol., ca. 5 1/2 Jahre alt) und dem mit Gewürznelken ausgestatteten "Sazerac Rye 6y" (45% Vol.) ist der "Willet" auch am Gaumen ganz anders: Er ähnelt mehr der Struktur des "Wild Turkey Rye" ist voll mit voluminösem Körper. Mouth-watering! Roggenwürze - natürlich, aber auch mit - wenn auch nur rudimentär nachweisbarem - bourboneskem Sahnetoffee. Dass der Abgang lang anhält, der Stoff sich auf der Zunge festsetzt und die Mundwände förmlich anästhesiert, ist fast schon zu erwarten gewesen. Fazit: Für den Ryefan ist dieses kupferfarbene "Schnäppchen" fast schon ein Musthave.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Alte Demerara Rums von Silver Seal

Gealterte Rums gehören sicherlich zu den interessantesten Spirituosen - zumindest für mich. Und ganz besonders spannend wird es, wenn der Stoff aus Guyana - oder besser: Demerara - kommt. Die italienische Firma "Silver Seal Whisky Company", die in Parma beheimatet ist, hat sich in der Vergangenheit nicht nur mit prähistorischen Whisky- , sondern auch mit ganz besonderen Rumabfüllungen einen Namen gemacht. Ich will hier auf eine besondere "Reihe" eingehen, bei der es sich um drei 32-jährige Rums aus der Enmore Distillery handelt.
Zur bewegten Geschichte der Demerararums ist kürzlich schon an anderer Stelle ausführlich Stellung genommen worden (Nochmals vielen Dank hierfür). Daher möchte ich nur ein paar Gedanken zu diesen speziellen Bottlings anbringen. Die von einigen Abfüllern wie "Cadenhead's" (sehr vorbildlich!) und "Velier" (manchmal widersprüchlich) auf den Flaschenetiketten angegebenen sog. Marks (z.B. PM für "Port Mourant" bzw. die "Port Mourant Still") sind u.a. auf den aus dem Herstellerland gelieferten Fässern zu finden. Sie bezogen sich vor den Schließungen der Brennereien in Guyana vornehmlich auf die Namen der jeweiligen Zuckerrohrplantagen zu denen die Distilleries gehörten. Die jeweilige Brennanlage wurde in der Regel ebenfalls mit dieser Bezeichnung identifiziert. Ein Gegenbeispiel ist die Albion Distillery, aus der die o.g. "Port Mourant Still" stammt. Letztlich erwuchs aus der Charakteristik des jeweils produzierten Rumstils (z.B. schwerer/leichter, süßer/trockener,...) und der Bezeichnung der dafür verwendeten Still mit dem jeweiligen Mark ein Synonym für eine ganz besondere Art von Rum. Soweit - so gut. Lustig wird das ganze, wenn für ein und dieselbe Anlage verschiedene Marks verwendet wurden...
Wird nun aber, wie in zwei der vorliegenden drei Fälle, nicht das (relativ) eindeutige Mark, sondern nur der Namen der Herkunftsdestillerie angegeben und waren in dieser zum Zeitpunkt der Produktion eventuell mehrere Anlagen in Betrieb, so lässt sich der Rum anhand des Flaschenetiketts nicht mehr so einfach einer bestimmten Still bzw. deren Stil zuordnen. "Silver Seal" nennt als Herkunft die Enmore Distillery. In selbiger waren jedoch die historischen, hölzernen Brennanlagen namens "Versailles Still" (single wooden pot still) und die "Enmore Still" (wooden coffey still) in Betrieb - zwei grundverschiedene Anlagen also, die jeweils einzigartige Destillate erzeugten und noch heute erzeugen. Durch Blending lassen sich (siehe "El Dorado") eine Vielzahl komplexer Rums herstellen. Worauf ich abschließend zu den theoretischen Ausführungen hinaus will: Nicht alle Rums aus der Enmore Distillery sind miteinander vergleichbar.

Die erste Abfüllung aus der "Wildlife Series" von "Silver Seal" wurde 1971 gebrannt und im Jahr 2003 aus einem Fass mit 71,8% Vol. in 232 0,7l-Flaschen abgefüllt. Meine Tastingnotes: Sehr zurückhaltende Nase mit etwas Kakao; Dann keine Spur von Süße, geröstete Paranüsse, gekochte Brombeeren und extrem langer Eichenabgang; Astringend, kompliziert, ausgereift. Was ich mit dürren Worten auszudrücken versuche, lässt sich kaum in Worte fassen. Kurz: ein Erlebnis! Ein Mark wurde nicht angegeben. Ich vermute jedoch, dass es sich um ein Destillat aus der EHP, der hölzernen Säulenanlage, handelt.
Der Rum in Flasche Nummer zwei wird als "Pure Guyana Rum Demerara Pot Still Enmore Distillery" bezeichnet und kam mit 50% Vol. in die Flasche. Ich habe ein intensives Bukett mit Orangenöl festgestellt, dann folgen viel gebrannter Zucker und ein Hauch Eiche; Ein süßer starker Beginn mündet in trockene Eiche zum langen Abgang; Zugänglich; Dieser Rum (aus dem Jahr 1975) ähnelt verblüffend anderen alten Pot Still Rums, wie z.B. einem 30-jährigen Port Mourant Rum von "Cadenhead's" (destilliert 1974). Das riecht verdächtig nach der "Versailles Still".

Bei der "aktuellen" 32-jährigen Abfüllung (destilliert 1977) gibt "Silver Seal" mit EHP auch das Mark an. Der Stoff wurde wieder als Single Barrel (236 Flaschen) diesmal mit 64,4% Vol. abgefüllt. Mein Tasting ergab: Zurückhaltende Espressonase mit Herrenschokolade; Dann angebrannte Früchte, Mango, Banane, dunkelgebrannter Zucker; Angenehm trockene Eiche führt in den eleganten Abgang; Ausgewogen;

Woher hat "Silver Seal", übrigens ein Schwesterunternehmen von "Sestante Import Srl", diesen Stoff überhaupt? - Der Rum lagert ganz unspektakulär in Schottland und wird auch im UK abgefüllt. "Silver Seal" betreibt keine eigene Lagerhaltung, sondern kauft die Fässer und lässt sie sich abfüllen, so wie es der Großteil der unabhängigen Whiskyabfüller auch tut. Wie sieht es mit Färbung aus? - Es war in den 70ern wohl üblich - im Gegensatz zur späteren und heutigen Praxis - das frische Destillat mit Karamell einzufärben. Auch das Ausstreichen der Fässer mit Melasse vor dem Befüllen war durchaus üblich. Ob die hier vorgestellten Rums auf die eine oder andere Weise ein Coloring erfahren haben, lässt sich nach Aussage von Herrn Mainardi bzw. dessen hilfsbereiter Mitarbeiterin, nicht mehr nachvollziehen. Eine Färbung nach der Lagerung findet auf jeden Fall nicht statt. Übrigens plant "Silver Seal" derzeit keine neue Abfüllung in ähnlich hohem Alter, da entsprechende Fässer nicht oder nur sehr schwer zu bekommen sind.

Fazit: Neben dem ansprechenden Äußeren glänzen diese Rums durch ihre Eigenständigkeit. Sie sind z.T. kostspielige Raritäten und leider gibt es, im Gegensatz zum Malt Whisky-Bereich, wo Abfüllungen in Fassstärke und aus Einzelfässern in den letzten 15 Jahren stark zugenommen haben, bis auf das Angebot weniger "independent bottler" aus Italien, UK und mittlerweile auch Deutschland nur geringste Mengen von Single Barrel-Abfüllungen.

Bottle To Bottle - Round 6: Energydrinks

"Und wieder ein Blogeintrag, der jegliches Niveau vermissen lässt..."

Stimmt, denn heute gehts um Energydrinks. Ja, das sind diese pappigen, nach (in was auch immer) aufgelösten Gummibärchen schmeckenden Limonaden, die sich offenbar noch immer größter Beliebtheit erfreuen. Konkret treten im B-to-B- oder besser Dose-to-Dose-Vergleich "Schwarze Dose 28" gegen "P1 Energie" an. Die Spannung ist bereits jetzt unermesslich...
"Schwarze Dose 28" (abgebildet ist die "Limited Edition" in Goldfarbe) von der "Calidris 28 Deutschland GmbH" kommt ohne den Zusatz von Taurin und künstlichen Aroma-, Farb- und Zusatzstoffen sowie ohne Konservierungsstoffe aus. Man gibt sich betont hochwertig und natürlich. Besonders hingewiesen wird auf die Verwendung der Açaí-Beere, die in Form von Açaí-Extrakt auf der Zutatenliste steht. Was ist sonst noch drin? Nun, da haben wir Wasser, Zucker, Isomaltulose, Kohlensäure, Koffein (32 mg/100ml), Guarana-Extrakt, Coenzym Q10 (3 mg/100ml), Kräuter-Extrakt (u.a. aus Holunderblüte, Salbei, Pimpinella, Thymian, Malve), Säuerungsmittel Zitronensäure, Vitaminmischung (C, Niacin, Panthothensäure, B6, B12), färbende Konzentrate aus Karotte und schwarzer Johannisbeere, modifizierte Stärke und natürliches Aroma.

Das klingt schmackhaft und ist es auch: Knallrot strömt das Getränk ins Glas und offenbart dem Tester eine recht neutrale Nase; fruchtigen Geschmack nach Johannisbeere und roten Beeren, künstlich wirkendes Mundgefühl nach Brause, insgesamt eher süß als sauer; neutraler, kurzer Abgang. Hmm. Geht das noch toller?

Der Münchner Premiumclub P1 (lokal gern "Oanser" genannt) hat seit einiger Zeit einen eigenen Energiedrink am Start. "P1 Energie" kommt von der "Calidris 28 EU Sarl" mit Sitz in Luxemburg und wird als Premiumdrink, der "Leistung, Konzentration und Reaktionsfähigkeit" erhöhen soll (Slogan: "Nutze die Nacht"), beworben. Nun gut. Drin ist neben den üblichen Inhaltsstoffen u.a. Taurin, der Farbstoff E150b sowie Trinatriumcitrat, Glucuronolaton und Inosit. Der Koffeingehalt liegt bei ebenfalls 32 mg/100ml.

Uringelb sprudelt das Gesöff ins Testgefäß. Klebrige, künstliche "Red Bull"-Nase; sehr säuerlicher Geschmack, undefinierbares Fruchtaroma; neutraler Abgang;

Fazit: Machen wir es kurz. Die "Schwarze Dose 28" liegt auch ohne ihr Naturgedöns vorn. Ihr Geschmack ist rund und ausgeglichen. Die Energie vom P1 mag vor Ort zur nächtlichen Stunde besser platziert sein. Im Tageslicht offenbart sie sich als zu saure Brause, die aufgrund dessen noch vor dem Marktführer aus Salzburg rangiert, aber trotzdem nicht empfehlenswert ist. Ein zufällig anwesender Supertaster hat das "P1 Energie" in seiner angeborenen Unwissenheit begeistert als Apfelsaft bezeichnet. Ich werde ihm diesen Zustand erhalten...

Dem unerschrockenen Mixologen seien noch die Cocktail- und Longdrinkrezepte auf der Heimseite von der "Schwarzen Dose 28" ans Herz gelegt.