Mittwoch, 28. September 2011

Cocchi Americano - Der Ersatz für Kina Lillet?

Kaum wird ein Produkt schlappe 120 Jahre hergestellt - schon ist es auf dem deutschen Markt erhältlich. So oder so ähnlich lässt sich die bisherige Verfügbarkeit von "Cocchi Americano" in Deutschland beschreiben. Dem ist nun nicht mehr so. Aber der Reihe nach."Cocchi Americano" (16,5% Vol.) ist ein Weinaperitif, der aus Weißweinen, Zucker und einer Infusion von Kräutern und Gewürzen (Enzian, Orangenschalen, Beifuß, etc.) in Alkohol besteht. Der Hersteller (eigentlich auf Prosecco und Spumante spezialisiert) spricht von kleinen Batches und einer Lagerzeit des fertigen Produkts von mindestens einem Jahr. Insofern ist das nichts großartig Neues oder Weltbewegendes. Interessant wird die Sache, da seit einigen Jahren der "Cocchi Americano", insbesondere in den USA und England, als Ersatz für den in diversen Cocktailrezepten im "The Savoy Cocktail Book" und im "Café Royal Cocktail Book" aufgerufenen "Kina Lillet" Verwendung findet. Das klingt doch spannend. Im Solotasting liegen zwischen dem leichten, frischen und trocknen "Lillet Blanc", dessen reiferer (und süßerer) Premiumvariante "Réserve Jean De Lillet" und dem "Cocchi Americano" vielleicht keine Welten, aber doch große Unterschiede. Der "Cocchi" weist definitiv mehr Gewürze auf. Gelber Enzian, wie man ihn z.B. aus dem bzw. der "Suze" kennt, geht mit deutlich mehr Zuckersüße händchenhaltend einher. Dazu setzt sich - auch wenn der "Americano" nicht wirklich bitter ist - ein angenehmer Citrusgeschmack am Gaumen ab. Die "Lillets" mag ich persönlich lieber pur auf Eis oder als Royale mit Champagner. Der komplexe "Americano" scheint wie geschaffen für das Mixen.

Und das hab ich dann auch gemacht. Die "Lillet"-Klassiker wie der Corpse Reviver #2, der Vesper und
der tiefgoldene Kina Cocktail gelingen ebenso gut wie weniger bekannte Drinks, z.B. der Jock MacDonald mit Ryewhiskey (siehe "Café Royal Cocktail Book"). Um diese Resultate zu erzielen muss man übrigens nicht (mehr) nach Bella Italia reisen oder besonders gut bestückte Bars besuchen, sondern lediglich den Onlineshop Bardealer mit Sitz in Rosenheim anklicken. Dort sind neben dem bereits gelisteten "Americano" in Kürze bzw. auf Nachfrage auch die zwei "Cocchi"-Produkte "Barolo Chinato" (ein grandioser Vertreter seiner Art) und "Vermouth Di Torino", der im Vergleich mit den führenden roten Wermuts am ehesten dem vollaromatisch-süßen "Punt E Mes" ähnelt, zu haben. Vielleicht nehmen die Bardealer in Zukunft auch den ein oder anderen italienischen Schaumwein von "Cocchi" mit ins Programm. Hinweis: Der Autor dieser Zeilen wurde mit kostenfreien Samples der o.g. "Cocchi"-Produkte bemustert.

Dienstag, 20. September 2011

Disaronno Originale - Der Amaretto, der keiner mehr sein will...

"Disaronnos" Markenbotschafter für Deutschland, Emanuele Ingusci, und der Vertriebspartner des italienischen Familienbetriebs, die "Campari Deutschland GmbH", hatten zu einem kleinen aber feinen Workshop in "Mauro's Negroni Club" in München geladen. Ein Amarettoworkshop? Wer braucht denn sowas? - Offensichtlich die deutsche Barszene, was sich an der regen Beteiligung - trotz einiger Absagen in letzter Minute - ablesen ließ.Emanuele Ingusci, Inhaber und Chefbartender des legendären Münchner "Barroom", wird ab November durch Deutschland ziehen und große und größere Städte bzw. deren Barpersonal auf den "weltweit meistverkauften italienischen Likör" und dessen grandiose Mixability aufmerksam machen. Das jetzige Image des guten Tropfens ist gelinde gesagt als angestaubt zu bezeichnen. Der Inhalt der rund 700.000 Flaschen, die jährlich bei uns über den Ladentisch bzw. die Supermarktkasse gehen, dient zu großen Teilen als Tiramisuzutat oder - sorry - Damenschnäpschen beim Italiener an der Ecke. Wann hat man zuletzt einen Godfather (übrigens sehr zu empfehlen mit einem frischen Islaymalt, wie z.B. "Kilchoman") gemixt?Ingusci räumte zunächst mit der größten Falschinformation auf: Der "Disaronno" ist kein Mandellikör und die Bezeichnung Amaretto ist auch nicht gleichbedeutend mit Mandellikör, sondern bedeutet vielmehr "kleiner Amaro" (amaro = ital. bitter). Die Amaretti gehören damit auch zu den Bitter und zwar genauer zu den Bitter Dolce. Um sich von den vielen Nachahmern abzuheben verwendet der Hersteller (die Firma ILLVA) diesen Begriff seit geraumer Zeit auch nicht mehr (Ausnahme: UK-Website). Mandeln spielen bei der Produktion also überhaupt keine Rolle. Auch die kursierenden Informationen, dass der "Disaronno" aus Aprikosenkernen bzw. Aprikosenkernöl hergestellt wird und genau 17 Zutaten enthält, liessen sich bei einem Besuch der Familie Reina nicht verifizieren. Die Italiener geben sich bezüglich Rezept und Herstellungsmethode leider äußerst zugeknöpft, was mit der Angst vor allzu guten Imitationen zu tun hat. Schlechtere gibt es offenbar in rauhen Mengen. Da an der ambitionierten Bar heutzutage jedoch das Beste gefragt ist, blieb nach einem kurzen Abstecher zur Familien- bzw. Produktgeschichte nur der Eigenversuch, der auch ein Vergleichstasting mit vier Mitkonkurrenten beinhaltete. Hier die Ergebnisse:"Disaronno Originale" (28% Vol.): Nase - Marzipan, Schokolade, Toffee, Nougat, Walnuss, Vanille; Geschmack - Karamell(bonbon), Bitterorange, Kräuter;

"Casella Amaretto" (21,5% Vol.): Nase - Farben und Lacke; Geschmack - mazerierter Industriegummi

"Tosci Amaretto" (30% vol.): Nase - Nüsse, alkoholisch; Geschmack - Haselnuss, Rosinen, P.X. Sherry, Milchschokolade, zuckrig;

"Luxardo Amaretto" (28% Vol.): Nase - künstliches Orangenaroma, Estern, Orangeat; Geschmack - sehr süß, Fahrradschlauch, Gummi, Orangeat;

"DeKuyper Amaretto" (30% vol.):
Nase - schwache Aromen, sprittig; Geschmack - sehr süß, unangenehm;

Der "Disaronno" war mit Abstand der komplexeste Vertreter seiner Art im Tasting. Attribute wie "rund und doch würzig" sowie ein volles Mundgefühl wurden ihm ausnahmslos zugesprochen. Die Konzentration der Familie Reina (und damit der ILLVA) auf nur ein Produkt (in Lizenz wird auch "Tia Maria" hergestellt) zahlt sich also aus. Als "gut trinkbar" aber "wesentlich nussiger" wurde der "Tosci"-Amaretto als Nummer zwei im Tasting eingeordnet.

Bevor es an das Vermixen geht, noch kurz ein Blick auf das Packaging. Seit den 70ern kommt der "Disaronno" in der kantigen Flasche aus gehämmertem Glas mit dem quadratischen Deckel. Einige Billigprodukte bilden Form und sogar Verschluss auf das Peinlichste nach. Das ursprüngliche Etikett mit der stilisierten, goldenen Pergamentrolle wurde vor kurzem einer verhaltenen Überarbeitung unterzogen und fällt ein wenig schlichter aus. Eine limitierte Serie aus 2008 ist dagegen direkt als progressiv zu bezeichnen.

Die Workshopteilnehmer zeigten, nachdem Emanuele Ingusci u.a. seinen neukreierten Rumdrink Weidenfeller kredenzt hatte, im Anschluss ihre vorbereiteten oder aus dem Ärmel geschüttelten Rezepturen. Hocharomatische Kombinationen mit gleich zwei zusätzlichen Likören und einem Sirup (!) gingen mit simplen, aber wirkungsvollen Mixturen mit z.B. Williamsbrand oder frischer Passionsfrucht Hand in Hand. Die gesammelten Cocktails werden in einem Buch vereinigt, dass in 2012 an alle Aktiven und auch in die Campari-Cocktailbuchsammlungen in München und Mailand geht.

Ich finde "Disaronno"-Whisk(e)y-Drinks besonders spannend, daher hier zwei einfache Rezepturen mit Ryewhiskey als Anregung:

Scottare
(Pre-Dinner)

6cl Rye Whiskey (Sazerac 6y)

3cl Disaronno

1,5cl Campari

5 dash Vanille Bitters (Bob's Bitters / homemade)

Saft 1/2 Orange

shake + double strain in Cocktailschale

Deko: 1/4 Orangenscheibe + Orangenzeste geraspelt


Jose Mourinho Sour (aka The Special One)

6cl Rye Whiskey (Sazerac 6y)

3cl Disaronno

Saft einer Limette (3cl)

5 dash Cask Aged Whisky Bitters (Master Of Malt)

ca. 2cl Ginger Beer (Thomas Henry)

shake + strain in Tumbler auf Eiswürfel, float Ginger Beer

Deko: Whiskeykirsche (homemade)

Außerdem existiert bereits ein internationales Rezeptebooklet namens "Disaronno Cocktail Book", das u.a. eine Vielzahl, der in den USA, wo "Disaronno" am erfolgreichsten ist, so beliebten Kombinationen mit Cranberryjuice enthält. Salute!

Montag, 12. September 2011

Post-Porno-Rum: Ron De Jeremy by Ron Jeremy

Nicht ganz brandneu - aber in Deutschland bislang nicht erhältlich - ist "Ron De Jeremy", ein 7jähriger Rum aus Panama bei dessen Kreation der kubanische Master Distiller Francisco "Don Pancho" Fernandez (Havana Club, Abuelo, Zafra) entscheidend mitgewirkt hat. Ja und? An A-, B, oder C-Prominente als Werbeträger oder Namensgeber für v.a. Vodka aber auch andere Spirituosen haben wir uns längst gewöhnt. Da haut uns ein neuer Rum mit einem Schauspieler in dieser Funktion sicher nicht vom Hocker. Ein Schauspieler? Ronald Jeremy Hyatt, besser bekannt als Ron Jeremy, ist eben nicht irgendein Schauspieler. Zwar kann er auf ein paar kleinere Rollen im einen oder anderen Hollywoodstreifen (z.b. "Der blutige Pfad Gottes") zurückblicken, doch berühmt wurde er durch seine unvergessliche, darstellerische Mitwirkung in über 2000 und seine Regiearbeit in rund 300 Hardcorefilmen. Seine Karriere gipfelte im 2003er Pornoremake "Being Ron Jeremy" ("Why be John Malkovich when you can be Ron Jeremy?"). Das Wortspiel war wohl allzu verführerisch... Seit Sommer ist das o.g. Produkt nun im UK und in den USA für rund 30 GBP bzw. 35 US-$ zu haben. Lassen wir das PR-Getöse ausnahmsweise mal beiseite, so haben wir es mit einem bodenständigen Mittelamerikarum von leichterem Körper nach guter alter kubanischer Schule zu tun, der aber keineswegs altmodisch ist. Ob der Stoff nun eher auf der trockenen oder der süßeren Seite steht, mag jeder selbst für sich entscheiden. Für mich überwiegen nach süßem Start die trockeneren Akzente und der doch merklich eichige Abgang. Fruchtige Noten halten sich vornehm zurück. Hintenraus ist er - im Gegensatz zum Namensgeber - nur mittellang. Charakteristik (und Preisniveau) lassen so Vergleiche mit z.B. dem noch relativ neuen "Dos Maderas 5+3" (Barbados/Guyana-Blend mit Sherryfass) oder dem bekannten "Matusalem Solera 15" (Dominikanische Republik) zu. Hinter diesen beiden Gesellen muss sich der Ron von Ron sicher nicht verstecken. Also nix großer Porno und XXX, sondern eher feiner, mixbarer Kubaner. Mixbar soll wohl auch die gewürzte Variante werden, die in diesen Tagen die Welt (oder zumindest die USA) erobern soll. Wann bzw. ob der Spaß je in D erhältlich sein wird, ist mir nicht bekannt. Bei der Betitelung des dazugehörenden Signaturedrinks "Hedgehog's Delight" orientierte sich dessen Kreateur übrigens an Ron's ausgeprägter Körperbehaarung, der dieser den Spitznamen "hedgehog" - auf deutsch: Igel - verdankt. What A Drink! Die beiden Fotografien stammen aus dem Downloadbereich von rondejeremy.com



Dienstag, 6. September 2011

Nikka Perfect Serve - oder: How To Clean Up Your Ass

Die guten Nachrichten vorneweg: Am gestrigen Nachmittag wurden in Münchens "Goldener Bar" weder der "Ass Cleaner"-Cocktail (der in einer doppelt gerollten Klorolle serviert wird) noch eine neue Art des Bartending erfunden. Beim "Nikka Perfect Serve" ging es vielmehr um das hier und da seit einiger Zeit bemerkbare Bestreben der Barszene sich weniger um sich selbst zu drehen als vielmehr den Gast als solchen wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Ein anspruchsvoller Wettbewerb fand auch noch statt...
Zunächst gab Stanislav Vadrna, Leiter des "Analog. Bar Institute", "Europe's Japanese Bartender Number One" und Brand Ambassador für "Nikka" einen Einblick in sein (Bar)Weltbild und seine Auffassung von modernem, klassischen Bartending. Mit dem Mantra "ichi-go - ichi-e" stellt er den Moment als nicht wiederkehrende Chance in den Mittelpunkt seines Konzepts und erläutert Begriffe wie "Sprezzatura", den Geist von Aloha und zieht Parallelen zur japanischen Teezeremonie. Aha. Nun sollten einige der von Vadrna gezeigten kleinen Praxisbeispiele eigentlich die Basis des Bartenderhandwerks sein, manchmal sind sie es aber nicht. Und um beim Rühren eines Drinks innerlich zu tanzen und jede Bewegung mit schlichter Eleganz und Lässigkeit auszuführen gehört mehr als nur ein guter Vorsatz und ein bisschen Übung. Mir persönlich haben Stan und seine Botschaft sehr gut gefallen und die anwesenden Profis haben sie sicher verstanden (und nicht nur gehört).
Beim anschließenden "Nikka Perfect Serve Contest" mussten die Teilnehmer in 15 Minuten zum einen drei verschiedene "Mizuwaris" mit verschiedenen "Taketsuru"-Abfüllungen (12, 17, 21 Jahre) und zum anderen drei Klassiker (Manhattan, Whisky Sour, O.F.) mit "Nikka From The Barrel" in einer gespielten Thekenszene für drei Gäste fabrizieren und servieren. Am besten gelang dies Maxim Kilian (Beyond Saloon, Frankfurt am Main), der Deutschland in Kürze beim Finale in Paris vertreten wird und dort die Chance hat eine Reise nach Japan zu gewinnen. Ich wünsche viel Erfolg! Beim Londoner "Perfect Serve" hatte UK-Sieger Rusty Cerven (The Coburg Bar At The Connaught Hotel, London) übrigens mit eigens engagierter Geisha (!) aufwarten können.
Natürlich konnten auch noch einige Nikka Whiskys probiert werden. Ich fand den erstklassigen "From The Barrel", der keineswegs eine Singlebarrelabfüllung o.ä., sondern ein äußerst preiswerter Blend aus zwei Malts der Brennereien "Miyagikyo" und "Yoichi" und einem Grainwhisky mit satten 54,1% Vol. ist, und den "Taketsuru 21 Years" (ein hochdekorierter geblendeter "Pure Malt" mit 43% Vol.) am eindrucksvollsten. Mein Lieblingsjapaner ist übrigens der untypische "Nikka Coffey Malt". Aber das ist eine andere Geschichte...

Weitergucken: Pictureshow on Facebook (copyright Barzirkel München 2011)

Weiterlesen: Ein lesenswerter Artikel über Japans Whiskys findet sich in der aktuellen Ausgabe 3/2011 des "Whiskybotschafters" und (kleiner Nachtrag) auch das Magazin "Mixology" hat mittlerweile über die beschriebene Veranstaltung berichtet.

Freitag, 2. September 2011

Lemon Hart Rum - Relaunch


"...für Lords, Sailors und andere Genießer"

Seit einigen Wochen ist in Deutschland wieder Rum der Marke "Lemon Hart" offiziell erhältlich. Dabei handelt es sich um die Abfüllungen "Original" (40 % Vol.) und "151" (75,5% Vol.) - beides Blends aus Demerararum, die von der "Demerara Distillers Limited" in Guyana produziert werden. Die Marke "Lemon Hart" war bereits anfangs des 19. Jahrhundert in London entstanden, wo die gleichnamige Company karibischen Rum importierte und sogar offizieller Lieferant der Royal Navy wurde. Zeitsprung. Ab den 50er Jahren war in Deutschland der "Lemon Hart - Golden Jamaica Rum" mit 73% Vol. erhältlich, der ebenso wie seine Verwandtschaft aus Guyana bis 2009 unter der Eigentümerschaft von "Pernod-Ricard" verkauft wurde. In der Bar erlangte bekanntlich die hochprozentige Demeraraversion einen hohen Stellenwert, da sie u.a. als unverzichtbarer Bestandteil für zahlreiche Tikiklassiker nachgefragt wurde. Letzteres resultiert - neben der Qualität des Produkts - auch daraus, dass andere Alternativen in den USA schlichtweg nicht flächendeckend erhältlich waren.
Nun ist seit Mitte 2010 das kanadische Unternehmen "Mosaiq Inc." Eigentümer der Marke (und der Rezeptur) und so ist über den deutschen Vertriebspartner "Kammer-Kirsch" der Stoff nach einer relativ kurzen Zeit der Dürre - pünktlich zum Tikitamtam der letzten Monate - wieder da. Soweit - so gut. Doch wie sieht es mit dem Geschmacksprofil aus?

Ich möchte meine Eindrücke besonders auf den 40%igen Kameraden beziehen, da dieser im Wirbel um den "151er" fast ein bisschen untergeht. Ein Münchner Gastrogroßhändler hat beispielsweise nur den Hochprozenter gelistet. Der "Lemon Hart - Original" lässt mit seiner deutlichen, süßen Karamellnase eine gefälliges Destillat erwarten. Ganz so ist es aber natürlich nicht. Der süße Grundton im Mund geht schnell in trockene, aber leichte Früchte über. Hochprozentiger Kakao und die Aromen von gelagertem Potstillrum dominieren. So ähnelt der "LH" am ehesten dem "Jefferson's Dark Rum", der vielleicht eine Spur trockner und etwas würziger ist. Deutlich schwächer ist der "Lamb's Navy Rum" aufgestellt. Mit mehr Holz und auch wesentlich trockner steht der in unseren Breiten eher unbekannte "Watson's Demerara" in englischen Fischerkneipen. Mehr Feuer hat hingegen der "El Dorado 8y", der ähnlich aufgebaut erscheint, aber auch ein süßerer Geselle ist. Ein Vergleich mit den beiden 12- und 15jährigen "El Dorados" (süßer, runder, besser!) hinkt ebenso wie der mit "Gosling's Black Seal" (viel tiefer und weniger süß). Erstere kosten 50 bis 100 Prozent mehr und sind doch eher Sippingrums. Letzterer ist zwar ein Dark Rum, der an keiner ernst zu nehmenden Bar fehlen sollte, aber nunmal kein Demerara.

Ergebnis: Der "Lemon Hart - Original" gefällt mir mit seiner altmodischen Art sehr gut, sollte aber an der Mixtheke stehen (außer man betreibt eine Spelunke in einem britischen Hafen) und bietet ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Der "151" bestätigt - selbst im Vergleich mit verschiedenen Fullproof-Demeraras (über 60% Vol.) - seine Eigenständigkeit. Ein absolutes Muss! Übrigens: Entsprechend verdünnt kommt er der 40%igen Version erstaunlich nahe, auch wenn ich etwas mehr Karamellsüße feststellen konnte. Über die Zusammensetzung der Blends ist zwar nichts bekannt, doch zum einen spielen sicher Potstillrums eine gewichtige Rolle - zum anderen erscheinen die beiden Versionen (auf ungefähr gleichem Alkoholniveau) sehr ähnlich. Vielleicht genügt also tatsächlich der Kauf der hochprozentigen Abfüllung...

In der abgebildeten Werbeanzeige der Firma "Epikur GmbH" (dem damaligen Deutschlandimporteur) aus den 50er Jahren wird u.a. ein "Lemon Hart Manhattan" und ein "Lemon Hart Cola" mit dem 73%igen Jamaicarum empfohlen. Respekt! Über den Relaunch der beliebten Jamaicaabfüllungen mit 40 bzw 73% Vol. ist bislang nichts bekannt geworden.