Donnerstag, 26. Februar 2015

Finest Spirits im Zeichen des Rum

Noch schnell ein paar News in Sachen Finest Spirits, die mir gerade zugespielt wurden:

Unser Außenreporter hat die Bottling Hall von Barfish besucht und ist dort auf die brandneue Abfüllung Moloka'I Delight gestoßen. Der Rum ist - das war in der Kürze der Zeit rauszukriegen - ein Blend aus Martinique-, Jamaika- und Guyanadestillaten. Der Basisrum stammt aus Barbados. Beim Finest Spirits Festival, wo der Stoff am Stand des Münchner Spirituosenhändlers (Stand Nr. 67) vorgestellt wird, wird man die 0,5l-Flasche des 40prozenters für um die 15 EUR kaufen können - die UVP wird später bei knapp unter 20 EUR liegen. Ein Schnäppli, denn er glänzt als Sippingrum (bitte 15-20 Minuten nach dem Einschenken im Glas stehen lassen) und mit seinem Rückgrat aus Demerara und Jamaika ebenso als Mixrum. Yeah-Ho!

Zur Kategorie der starken Rums, die optimal in Cocktails passen, gehört auf jeden Fall der Screech, der gerade aus Neufundland zu uns kommt. Dort wird er aber lediglich geblendet - der Stoff stammt von Wray & Nephew aus Jamaika. Der Importeur DTS-W präsentiert diese Aromenbombe neben vielen anderen Zuckerrohrbränden an Stand Nr. 18.

Wie schon erwähnt gibt sich der German Rum Ambassador Dirk Becker mit seinem kompetenten Team in München die Ehre. Mein Tip an seinem Stand (Nr. 10) ist die 12jährige Singlecaskabfüllung von Oliver & Oliver aus der dominikanischen Republik mit 65% Vol.. Ein echtes Rummonster!

Ardbeg Ceò - Pustefix oder The Scotch Fog Machine?

"Aber damit nicht genug: in München wird es eine Weltneuheit geben, genannt Ardbeg Ceò.

Wir garantieren Euch schon jetzt ein vollkommenes Ardbeg-Erlebnis."

(Quelle: Ardbeg-Committee-Newsletter, Februar 2015)

Diese beiden Sätze von Ardbeg CEO Distillery Manager Mickey Heads (oder vielleicht auch nur von der deutschen Marketingabteilung dessen Arbeitgebers) haben in der letzten Woche für allerlei falsche Erwartungen und Missinterpretationen gesorgt. Und so mancher hat schon seine Barschaft durch Transaktionen vom Festgeldkonto aufgestockt. Da im ein oder anderen Whiskyforum die Wahrheit inzwischen schon ans Licht gekommen ist, darf ich noch ein bisschen mehr Aufhellendes bei- bzw. zusammentragen.
(Foto von M.M. aus der Müncher Patolli Bar)

Zunächst handelt es sich nicht um eine neue Singlemalt-Abfüllung, wie die Experten von den Whiskyexperts und die FOSM etwas vollmundig titelten. Die ersten waren gleich so erregt, dass ihnen beim Wörtchen "Ardbeg" ein "d" flöten ging. Ardbeg Craze eben. Kann passieren. Etwas weniger Aufregung beim Studium der Mitteilung hätte ergeben, dass es doch recht unwahrscheinlich ist, dass die Profis von LVMH ewig über ihren Weltraumwhisky schwurbeln und dann nur randläufig ohne Angaben zur Fasswahl und ohne Tastingnotes (von Altersangaben haben wir uns spätestens mit dem Babywhisky Kildalton verabschiedet) eine neue Limited Edition erwähnen.

Und dann der Begriff Ardbeg-Erlebnis. Das muss doch stutzig machen. Google ergab sinngemäß Nebel für Ceò und ich hatte auf ein maskulin-rauchiges Eau De Toilette getippt. Fast richtig! Der Ceò ist nix anderes als eine neue Version des in der Praxis als ziemlich zerbrechlich in die Bargeschichte eingegangenen Verneblers namens Le Whaf. Hier wird - ähnlich wie bei Luftbefeuchtern für das Eigenheim - eine Flüssigkeit in die Raumluft eingespeist. Einzige Besonderheit: Das geht hier mit Spirituosen - sprich: feinstem schottischen Single Malt. Der Genießer muss also gar nix mehr Trinken, sondern kann  seinen Ardbeg 1974 leger in die Atemwege wabern lassen. Mit 1976er Single Casks gehts auch. Cool. Darauf hab ich gewartet. Hoffentlich hat man an der Qualität gearbeitet und die Lebenserwartung des Gimmicks verlängert. 

Vor zwei Jahren hat das Ding um 130 EUR gekostet. Mal sehen, wieviel nun dafür aufgerufen wird. Auf jeden Fall passt der Effekt prima zu den anstehenden Whiskyevents. Die dort eh schon vorhandenen Alkoholdämpfe aus Flaschen, Gläsern und Menschenleibern werden dann noch durch solche aus der Pustefix-Maschine ergänzt.




Montag, 23. Februar 2015

Finest Spirits 2015 - Am Freitag geht es los!

In den letzten Jahren hat dieser Blog regelmäßig über das Finest Spirits Festival in München berichtet. Umso größer war daher meine Bestürzung, als ich im Laufe des letzten Jahres mehrmals die Aussage "Das ist doch eine Säufermesse geworden" gehört habe. Und das unabhängig voneinander. Allerdings von Nicht-Münchnern. Ja, sogar von Nicht-Bayern. Soll man auf solche Worte hören? Oder liegt es gar an mir selbst, da die Entstehung dieses von außen beobachteten Trends zufällig mit meinen Messebesuchen zusammenfällt? Soll ich jetzt zuhause bleiben?

Nach kurzer Überlegung habe ich mich entschieden: Diese Veranstaltung Dieses Event wird nicht ohne whatadrink! über die Bühne gehen. Aber: Dieses Jahr werde ich die Messlatte für Veranstalter und Aussteller ganz oben anlegen, ich werde hinter die Kulissen schauen und ich werde kritisch alles untersuchen, was mir auffällt. Insbesondere nach den dort vermuteten Säufern werde ich Ausschau halten und auffällige Personen werde ich genau unter die Lupe nehmen. Alles Negative wird hier angeprangert. Versprochen!

Ansonsten finden Sie mich am Barstand zum Thema Rum, an Mike's Bourbonstand, bei Pit Krauses Monstermalts und bei Dirk Beckers Rum-Depot. Bis ich mich da durchgequatscht habe, wird einige Zeit vergehen und die ein oder andere flüssige Erfrischung sollte drin sein. Also - wir sehen uns...

Neuer deutscher Rum? - Ja, bitte mehr davon!

Beim ersten Glas da sagte er: "Cherie".
Beim zweiten küßte er mich so wie nie.
Beim dritten dann - wie dumm
- fiel mein Casanova um
und Schuld daran war ganz allein der Rum.
 


Barbados
der Rum von Barbados
 

du trinkst ihn ahnungslos 
schon ist der Teufel los.
 

Oh-oh-oh Barbados 
der Rum von Barbados 
der schafft den stärksten Mann - mal irgendwann. 

Er sagte mir: "Ich trink ihn nie mehr pur
ich kann ihn schon verkraften aber nur
mit Cola und mit Eis." - Ja das machte er sich weis
 


am nächsten Morgen sagte er ganz leis:  
Barbados
der Rum von Barbados
 

du trinkst ihn ahnungslos 

(Gaby Baginsky, Der Rum von Barbados, 1979)

Über die Erfolge des hier zitierten Schlagers bin ich mir nicht ganz im klaren und ob der neue deutsche Rum in der näheren Zukunft Hitpotential hat, möchte ich heute auch noch nicht abschließend beantworten. Dafür ist das Thema zu frisch. Neuer deutscher Rum? - Ja, unsere umtriebigen Schnapsbrenner machen nicht nur vor Whisky und Gin nicht halt, nein jetzt wird auch noch die Rumkategorie beackert.
(Der Gute Pott um 1970)
Das haben die norddeutschen Blendingfirmen - ganz oben mit der Marke Der Gute Pott - schon über 100 Jahre lang gemacht. Allerdings haben die in der Regel nur Importprodukte - vorzugsweise German Style Rum aus Jamaika - mit mehr oder weniger Neutralalkohol verschnitten und so die Marktführerschaft in Deutschland erlangt. Von der DLG gab es für Pott zuletzt den Titel "Bester Rum des Jahres" und andere goldene Preise. Gratuliere. Nicht zu diesen fragwürdigen Auszeichnungen, sondern zu den Anfang der 1970er Jahre abgefüllten 20jährigen Jamaikarums, die als Pott Privat Rum in begrenzter Auflage in den Handel kamen. Schöne Sache und für Rumhistoriker ein Muss-Haben (Ebay is your friend).

Doch zurück zur Gegenwart. Es gibt mittlerweile Rum, der in Österreich gebrannt wird (Nein, nicht Stroh oder dessen Surrogate aus Neutralalkohol, Aromastoffen und viel Farbe). Auch aus Dänemark wird dort destillierter und gelagerter Rum vermeldet. Was fehlte war Rum, der in Deutschland hergestellt wird. Diese Lücke versuchen findige Brenner zu schließen. Zum einen ist das das Haus Alt Enderle mit sechs verschiedenen Abfüllungen und der Feinbrenner Severin Simon mit drei Rumvariationen. Das ist doch was!

Fangen wir mit dem Bayern aus dem Spessart an. Der Rum aus Simon's Feinbrennerei wird in einem Onlineshop u.a. so beschrieben: "...Wer sich für den Simons Bavarian Nordic Rum Valkyrie mit Seltenheitswert entscheidet, setzt auf eine Besonderheit mit einem Geschmack, der sich nur schwer in pauschale Worte fassen lässt." Dass jemand ungestraft sowas schreiben darf? Egal - Es soll ja nicht um das Geschwurbel eines Shopbetreibers gehen, der hofft, mit langatmigen (aber gehaltlosen) Produktbeschreibungen im Googleranking nach oben gespült zu werden.

Severin Simon setzt stark auf lokale Bezogenheit und eine Manufakturphilosophie: Fässer aus Spessarteiche. Das Holz für die Befeuerung der Potstill stammt aus dem eigenen Wald etc. usw. Ich finde das durch und durch lobenswert. Wer noch mehr erfahren möchte, sollte mal im offiziellen Infoflyer nachlesen oder sich gleich den Podcast von WRINT anhören, wo der Brenner/Winzer auch zu seinen Weinen ausgiebig gelöchert wird. Ich konnte Severin Simon, der seit 2012 übrigens eine eigene Verschlussbrennerei sein eigen nennt, noch ein paar zusätzliche Fragen stellen:

whatadrink!: Herr Simon, Sie bieten im Moment drei verschiedene Rumabfüllungen mit jeweils 40% Vol. an. Eine - nennen wir sie "Standardabfüllung" - namens Marinerum, dann den Kalypso, der mit Vanille gewürzt und mit Melasse gesüßt wurde, und den Valkyrie, der eine Lagerung in speziell getoasteten Fässern hinter sich hat (Preise zwischen 35 und 50 EUR für die 0,5l-Flasche). Mein erster Eindruck war: Saubere Brände! Beim Rum wünsche ich mir aber auch Ecken und Kanten - also auch mal ein dreckiges Destillat. Ich würde gerne wissen, wie lange die Lagerzeit jeweils war.
Severin Simon: Mit unserer neuen, großen Brennanlage haben wir im Oktober 2012 begonnen zu arbeiten und das Erste, was gebrannt wurde, war Rum - d.h. die aktuellen Abfüllungen liegen bei knapp über 2 Jahren. Mit Rum geht es bei uns eigentlich erst los. Das was Sie mit dreckig bezeichnet haben, habe ich schon auch im Sinn. Zum Beispiel habe ich mir einen neuen Gärbottich aus Eichenholz bauen lassen und darin soll in Zukunft ein Teil der Melasse unter Verwendung von betriebseigener Mikrobiologie und zugleich längeren Maischezeiten verarbeitet werden. 
 
Auch im Bereich Fassmanagement haben wir noch einiges vor. Durch unsere Weinsparte sind wir in der Lage neue Fässer nach der später geplanten Destillatbelegung zu bestellen, also was z.B. das Toasting angeht, und dann zu überlegen, welcher Wein als Erstbelegung dazu passt. Das ist inzwischen ein eigenes Fassvorbelegungsprogramm geworden. Aber so oder so haben wir da noch Luft nach oben für spannende Sachen ohne dass wir irgendwas kopieren müssen.
 
wad!: Rum oder Whisky im Ex-Weinfass ist ja inzwischen fast alltäglich geworden. Mir haben die wenigen Weine, die wiederum in Ex-Whiskyfässern steckten aber auch sehr gut gefallen. Die Kette der Fassbelegungen ist also über die Jahrzehnte der Lebendauer eines Fasses variierbar und ein altes Ex-Wein- und Ex-Whiskyfass wird vielleicht irgendwann wieder ein gutes Weinfass...  

Severin Simon: Wir bleiben am Ball.

wad!: Ihre Melasse wird von den Tres Hombres per Segelschiff aus der Karibik geliefert. Wann geht das erste Fass mit Simon's Rum zurück ins Ursprungsland des Basisprodukts und wird dort gelagert? Auch die monatelange Schiffsreise wäre ja eine besondere Lagerzeit unter besonderen klimatischen Bedingungen. (Anm. des Verfassers: Was gebe ich denn schon wieder für Tips?)
 
Severin Simon: Das ist wirklich eine Idee, die gar nicht von der Hand zu weisen ist. Wir haben da nur etliche Hürden im Bereich Logistik, Zölle, Steuern etc. gerade wenn es ein Weg ist, der so noch nicht beschritten wurde. Ein Beispiel in dieser Richtung ist der Linie Aquavit.
 
wad!: Ich habe davon gelesen, dass Sie auch Singlecaskabfüllungen (hoffentlich dann auch mit höherem Alkoholgehalt) planen. Wann werden wir diese kaufen können?  

Severin Simon: Das kann man in näherer Zukunft erwarten. So ab einer Lagerzeit von 3 Jahren kann ich mir das gut vorstellen.
 
wad!: Der Kalypso wird mit Vanille aromatisiert und mit Melasse gesüßt. Wie darf ich mir das in der Praxis vorstellen? 

Severin Simon: Ich arbeite hier mit 100-Liter-Fässern, statt der üblichen 225-Liter-Barriques, und es werden tatsächlich echte Tahiti-Vanilleschoten dem Rum beigegeben. Tonkabohnen kommen übrigens auch mit rein. Die frische Zuckerrohrmelasse dient allerdings mehr der Färbung als der Süßung. Wir liegen da bei ca. 50g Zucker pro Liter.
 
wad!: Wie unterscheiden sich die Valkyrie-Fässer von den sonst verwendeten?

Severin Simon: Für unseren Basisrum, den Marinerum, wollen wir die Fasslagerung in ein soleraähnliches System bringen - d.h. wir haben untenliegend zwei 600-Liter-Fässer, die aus Barriques befüllt werden. Das Ziel ist mit unseren beschränkten Möglichkeiten, weil wir weiter ein relativ kleiner Betrieb sind, eine gewisse Kontinuität bei der Qualität hinzukriegen und diese dann auch noch zu steigern. 

Unser Nordic Whiskytoasting haben mein Küfner und ich zusammen ausgetüftelt. Es ging darum einen speckig-rauchigen Grundton zu erzielen. Wichtig ist, dass das komplette Fass also nicht nur die Dauben, sondern auch die Böden getoastet werden. Die Böden sind quasi schon charcoaled, haben also eine dünne, verkohlte Schicht. Die Dauben haben auch ein hohes Toastinglevel - allerdings erreichen wir das mit relativ geringer Temperatur aber dafür langer Zeit der Erhitzung.
Dass man in Baden-Württemberg gern das ein oder andere a bissele anders macht als im Rest der Welt, hat sich herumgesprochen. In Sachen Rum wird aber auch das Basismaterial - sprich: Zuckerrohr bzw. Melasse - benötigt und das kommt eher selten von der schwäbischen Alb (aber wer weiß, was die Klimaveränderung noch mit sich bringt). Beim für seinen Necarrus Single Malt Whisky zuletzt hochgelobten Brennereibetrieb Alt Enderle kam man auf die Idee das Terroir gleich mit der Melasse einzukaufen. So gibt es derzeit drei Rumabfüllungen, deren Melasse jeweils herkunftsrein aus Indien, Paraguay und Siam (Thailand) stammt. Ergänzt wird dieses Portfolio mit einem Rum namens Memory Of The World, der folglich aus einer Melassemischung destilliert wurde und im Ex-Portweinfass lagerte (0,5l jeweils ca. 42-50 EUR). Das klingt doch alles nicht schlecht. Von Joachim Alt gab es noch ein paar Zusatzinfos.
 
wad!: Herr Alt, Sie bieten im Moment vier verschiedene Rumabfüllungen mit jeweils 43% Vol. an. Ich würde gerne wissen, wie lange die Lagerzeit jeweils war, da sich die Rums in der Farbe deutlich unterscheiden und welche Fasstypen und -größen verwendet wurden.

Joachim Alt: Zur Zeit haben wir sogar sechs verschiedene Rums: Siam, Indien, Paraguay, Memory of the World, einen XO und einen weißen Rum. Das Alter liegt ganz verschieden zwischen einem Jahr und zehn Jahren. Die verschiedenen Farben erlangt der Rum unter anderem durch die verschiedenen Typagen also nicht nur durch das Fass.
 
wad!: Ihr Rum wird aus Melasse gebrannt, die aus drei verschiedenen Ländern bzw. Kontinenten kommt. Woher bezieht man so ein exotisches Rohmaterial? Wie wird das angeliefert? Wie sieht es mit der Lagerfähigkeit der Melasse aus und wie läuft die Fermentation ab?

Joachim Alt: Wir bekommen unsere Melassen direkt aus diesen Ländern d.h durch Direktimport und einen direkten Kontakt zu den Zuckerrohrplantagen. In 6 Wochen sind wir deswegen z.b wieder in Indonesien unterwegs. Geliefert wird in 1000-Liter-Containern. Die Lagerfähigkeit ist nahezu unbegrenzt, wobei ich sage: Melasse ist ein Naturprodukt und verändert sich laufend und durch eine allzu lange Lagerzeit wird sie nicht besser. Die Fermentation läuft ganz normal ab: Melasse - Wasser - Hefe - nach drei bis vier Stunden muss sie Gären. Wir haben rund 25.000 EUR in das Know-how zur Melassefermentation investiert, daher möchte ich nicht unbedingt auf das Thema eingehen. Sie verstehen sicher, dass das momentan noch ein großer Vorteil unsererseits ist gegenüber den Kollegen die auch Rum herstellen.
 
wad!: Als Rum- und auch Whiskyfreund gefallen mir hochprozentige Singlecaskabfüllungen sehr gut. Haben Sie beim Rum und ggf. beim Neccarus solche in Planung und haben Sie zukünftig (noch) längere Lagerzeiten im Visier?
 
Joachim Alt: Vielleicht machen wir mal Fassabfüllungen. Die Nachfrage bei uns ist noch relativ gering, deshalb steht dieses Thema nicht unbedingt an erster Stelle. Abgeneigt sind wir allerdings nicht. Letztlich wird eben solange es unserer Meinung nach nötig ist bzw. wie es sich ergibt. Zehn Jahre sind ja immerhin ein Wort für Deutschland.
 
Ja, das stimmt. Ich wusste gar nicht, dass es zehnjährigen Rum aus Deutschland gibt. Welcher nun der Zehnjährige ist, weiß ich aber immer noch nicht. Immer diese Geheimniskrämerei. Bei meiner Frage zur Fermentation hatte ich immer auf neue Infos à la Dundergrube bei der Produktion von Jamaikarum gehofft. 

Nichtsdestotrotz ist das Thema deutscher Rum - wie zumindest ich finde - ein sehr spannendes und hoffnungsfrohes, wenn auch noch recht nerdiges. Es geht aber eben erst los und wer weiß, wie wir in zehn Jahren darüber denken und reden werden.

Und wie haben mir die Kostproben gemundet? Durch die Bank sehr gut. Bei Severin Simon gefiel mir schon der Marinerum mit seinem trockenen Abgang. Der Valkyrie ist schön würzig und hinterlässt wirklich ein schwach-rauchiges, fettes Etwas auf dem Gaumen und der Kalypso ist ein feiner Schmeichler. Der muss einem einfach schmecken. 

Die Alt Enderles kommen ganz anders angelegt daher. Von fruchtig-weinig über exotisch-würzig bis zu deutlichen Schokoladennoten wird eine breite Palette aufgefahren und - das gefällt mir besonders - die mir vorliegenden vier Abfüllungen unterscheiden sich doch grundlegend voneinander. Eine eigene Rumwelt, die zum Entdecken einlädt. Aber das klingt ja schon fast wieder wie ein hirnloser Werbetext... Also, bitte selber probieren!

Mittwoch, 4. Februar 2015

Gin & Tonic Perfect Serve und die Holunderblüte ist nicht tot!

"Gibt es für Deinen Blog keine Geschichten mehr?" ist eine Frage, die mir noch nie jemand gestellt hat. Daher hier die Antwort: Äh ja. Um etwas präziser zu sein, liefere ich vor dem üblichen Generde eine kleine Anekdote, die mir kürzlich widerfahren ist.

Samstagabend in einer 40.000-Einwohner-Stadt. Ein 4-Sterne-Hotel. Zu dritt betreten wir nach einem opulenten Nachtmahl die Hotelbar und nehmen an einem freien Tisch Platz. Der Barmann gibt drei Karten aus. Da ich etwas matt bin, fällt mir spontan ein Gin & Tonic (weiter: GT) als zu meiner Verfassung passendes Getränk ein. Beim Einmarsch hatte ich zudem eine Kopfüber-Gordon's Gin-Flasche an der Wand gesehen und irgendwo war ein Schweppes-Logo drauf. Als der Keeper also wieder erscheint - übrigens ein netter, junger Herr Anfang 20, schwarze Hose, schwarzes Hemd, Ärmelschoner - bestelle ich "Gin Tonic, bitte!" und blicke bereits wieder auf meine Begleiter als der Hotelmitarbeiter noch einmal das Wort an mich wendet: "Mit oder ohne Eis?". Nun geschehen mehrere Dinge gleichzeitig. Während ich mich wieder dem Herrn in schwarz zuwende schrillen im meinem Kopf drei Sirenen ohrenbetäubend laut auf und drei feuerrote Rundumlampen beginnen zu leuchten und zu rotieren. Ich bleibe in meiner zurückgelehnten Position im Clubsessel und sage nur: "Mit Eis.".

Spätestens hier wundert sich der aufmerksame Leser über mein Verhalten. Zu erwarten gewesen wäre doch eher, dass ich aus dem Fauteuil aufspringe, den runden Tisch mit Pseudomarmorplatte am gußeiseren Fuß packe, ihn in die Höhe reiße und wutentbrannt den Cocktailmixer mit den Worten "Ich bin Judge Dredd und Du bist auf ewig verflucht!!!" zur Flucht oder zumindest zum nochmaligen Überdenken seiner soeben ausgesprochenen Frage auffordere. Doch nichts davon. Während der Boy (es MUSS ein verirrter Liftboy gewesen sein) meine Bestellung inkl. Sonderwunsch notiert, fällt mein Blick zurück zu meinen Tischgenossen, die - wie sollte es anders sein - beide ebenfalls GT bestellen und dabei jeweils die Frage nach Eis bejahen. Boy mit Bestellung ab.

An dieser Stelle ein Exkurs. Kennen Sie sogenannte Side-By-Side-Kühlschränke für das traute Heim? Also diese absolut stylischen, platzfressenden Frigoungetüme mit zwei Türen und - tatatata! - einem eingebauten Eiswürfelzubereiter? Hm. Habe ich tatsächlich Eiswürfelzubereiter geschrieben? Was da rausplobbert ist statt mächtiger Solid Cubes im besten Fall als bemitleidenswerte Eiskrümel zu bezeichnen, die eine Schmelzzeit von ca. 8-10 Sekunden haben. 

Ok, zurück zum Text. So einen Megakühlschrank hatte der Boy eh nicht zur Verfügung. Wo er dann die drei Eiskrümel mit einem Durchmesser von jeweils 10-12 Millimetern her hatte, weiß ich nicht. An jeder Nachttanke, wird man 24 Stunden und 365 Tage im Jahr mit besserem Würfeleis ausgestattet. Diese mikroskopisch kleinen Eisfragmente trieben - zumindest kurzzeitig, bis sie wieder ihren originären Aggregatzustand annahmen (Dilution!) - in unseren vom Boy servierten "Drinks". Das Mischungsverhältnis wollen Sie wissen? Je 2cl Gordon's mit satten 37,5% Vol. in einem 25cl-Longdrinkglas aufgegossen mit 22cl Schweppes Tonic - 1:11 also. Das ganze in Raumtemperatur. Bei anderen Gelegenheiten bevorzuge ich das Verhältnis 1:1. Aber ok. 

Den mitgelieferten Trinkhalm (den niemand am Tisch bestellt hatte!) legte ich behutsam zur Seite bevor ich das pisswarme Nass in mich schüttete. Meine Begleiter zuckten die ganze Zeit über weder mit der Augenbraue noch ließen sie sich zu einer Bemerkung über den gerade erlebten Perfect Serve hinreißen. Ich bezahlte die Rechnung an der Theke, um einen ausgiebigen Blick über dieselbe werfen zu können. Dort entdeckte ich aber nur drei Schalen mit Barfood (sprich: gesalzenen Rösterdnüssen), das man uns aber nicht angeboten hatte. 

Fazit: Das war eine Reise von der sicheren Position einer GT-Bestellung zu hellem Wahnsinn und zurück in 4 Sekunden. Ich gab dem Boy ordentlich Trinkgeld.

Aber was lehrt uns diese Episode? - Vieles. Zum einen gibt es noch viel zu tun für Brandambassadoren und Cocktailteacher. Zum anderen hat der Durchschnittsgast null Ahnung von nichts. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn uns der Boy nach der persönlich präferierten Ginmarke gefragt hätte und uns dann was zum dazu jeweils passenden Tonic vorgeschwurbelt hätte.
A propos GT. In meiner bescheidenen Hausbar finden sich derzeit rund 15 Gins und knapp über 30 verschiedene Tonics bzw. Softdrinks, die sich als Tonicwater bezeichnen und in Fläschchen bzw. Dosen (Iiiiih!) unter 0,3l-Inhalt gefüllt wurden. Ein Mengenverhältnis, das jeden Gin-, Tonic- oder GT-Blogger zum Durchdrehen bringt. Die Tonics hab ich mir übrigens mit einem Rundgang durch ein paar Münchner Fachgeschäfte und nur EINER Auslandsbestellung verschafft. Dazu kann ich noch rund zehn Tonics auswendig aufsagen, auf deren Bezug ich verzichtet habe. Aber ich bin ja kein Gin-, Tonic- oder GT-Blogger und finde Gin eh völlig überbewertet.

Der Fieberbaum goes Germany
 
Was tippe ich mir also aktionistisch die Finger wund? Unter den diversen Tonics finden sich auch die drei Varianten des britischen Herstellers Fever-Tree, die mittlerweile - lang hat es gedauert - flächendeckend in Deutschland verfügbar sind. Und eben Fever-Tree hat im letzten Jahr mit dem Handpicked Elderflower Tonic Water seinen jüngsten Spross ins Feld geschickt. "Handpicked"? Das klingt verdächtig nach den Männern mit Baskenmütze und Fahrrad, die der Sage nach die Holunderblüten für St. Germain Holunderblütenlikör pflücken. 

Da ich ein wissbegieriger Mensch bin, habe ich die Gelegenheit genutzt mich mit Firmengründer Tim Warrillow zu unterhalten, dem ich zunächst mein Leid mit den täglich neu aufpoppenden Ginmarken Ginabfüllungen und der gleichzeitigen Invasion von Fillern klagte. Meine Lösung: Back to the roots! Nein, nicht Gordon's & Schweppes (siehe oben), aber z.B. ein schöner Tanqueray Ten mit etwas Fever-Tree Tonic und Eis. Das gefiel Tim sichtlich und so erzählte er mir von seinen Anfängen mit Partner Charles Rolls und den alten Zeiten (Wer kann sich noch daran erinnern?) als es nur Schweppes gab und sie sich aufmachten den GT zu revolutionieren. Das beinhaltete eine historische (Rezept)Recherche, Reisen in den Kongo und folglich eine 18-monatige Entwicklungszeit.

wad!: Tim, wenn man mit Ginproduzenten spricht, kommt man irgendwann zum Punkt Botanicals und woher welche davon stammen. Wenn man dann frägt, wie sie denn an das Zeug aus aller Herren Länder kommen, so werden die Herrschaften eher schmallippig. Das fällt dann unter Betriebsgeheimnisse. Können Sie mir da mehr dazu sagen?

Tim Warrillow: Nun, wir haben herausgefunden, dass Chinin aus Peru stammt und das beste an der Grenze zwischen Kongo und Ruanda angebaut wird. Ich war persönlich dort, was schon eine Erfahrung für sich ist, und seit Anfang an beziehen wir unser Chinin direkt aus dem Kongo. Interessant war übrigens, dass man mir dort erzählt hat, dass wir der einzige Getränkehersteller sind, der Chinin dort einkauft. Schweppes hat das für seine spanische Produktion früher gemacht. Trotz der besseren Qualität ist man aber letztlich zu anderen Zulieferern gewechselt. Der Preis hat dabei natürlich auch eine Rolle gespielt.

wad!: Ich denke, dass die alternativen Tonics und Limonaden aus England auch den Markt für alternative Softdrinks in Deutschland, wenn schon nicht beeinflusst, dann zumindest stimuliert haben. Ich hatte, als es vor einigen Jahren um Rezept/Herstellung/Abfüllung eines alternativen Colas in Deutschland ging, einen Kontakt zwischen einem Abfüller und einer Interessengemeinschaft herstellen können, was dann tatsächlich zu einem heute noch marktgängigen Produkt geführt hat. Die Vielzahl an Gingerbieren, (Bio)Limonaden und sonstigen Softdrinks, ob nun klassischer Filler oder eher Standalone, macht mir sehr viel Spaß.

TW: Das Ginger Ale, dass Sie da trinken, hat auch eine ziemlich große Entwicklungsarbeit mit sich gebracht. Wir nutzen heute drei verschiedene Ingwersorten. Bei der Entwicklung haben wir mit Ginger Hunters gesprochen - ja es gibt richtige Pflanzenjäger, die rund im Welt touren auf der Suche nach raren und interessanten Früchten.

wad!: Zum Ingwer hab ich auch noch eine Frage. Hersteller von z.B. Ingwerbier oder auch Destillateure, die einen Ingwerbrand herstellen, sagen mir immer, dass es mit dem Ingwer gewisse Schwierigkeiten gibt. Und wenn ich sage, wieso, Ihr kauft das Zeug doch auf dem Weltmarkt ein, heißt es immer "Nein, nein. Das ist nicht so einfach. Wir brauchen frische Ware" oder "Wir brauchen eine bestimmte Sorte." Ein Likörhersteller hat mir in diesem Zusammenhang einmal erzählt, dass er mehr als zehn Ingwersorten ausprobiert hat und nur eine hat in seinem Produktionsprozess funktioniert. Ist das übertrieben oder können Sie das nachvollziehen?

TW: Eine Wahrheit ist, dass die verschiedenen Züchtungen bisweilen völlig unterschiedliche Aromen mitbringen und sehr unterschiedlichen Charakter haben. Was man im Supermarkt kauft, ist chinesischer Ingwer. Der wird nach Gewicht verkauft. Also wird der extrem mit Wasser vollgepumpt, damit er saftig und schwer ist. Wir nutzen Sorten, die nur wenig Saft ausgeben, aber dafür intensive Aromen liefern. Mittlerweile haben wir sehr viel Erfahrung gesammelt. Unser Ginger Beer ist z.B. von Haus aus ziemlich trüb. Andere Hersteller nutzen ein spezielles Mittel, das ihr klares Ginger Beer in ein trübes verwandelt und um zu Schärfe zu kommen, wird Chili verwendet, was einen kurzen Burn bringt. Die Leute denken: Ah, das ist der scharfe Ingwer. Aber natürlicher Ingwer hat einen langen Nachgeschmack. Wir haben das Segment mitentwickelt und vertreten heute die Fraktion, die ausschließlich natürliche Ingredients verwendet. 
 
(Tim Warrillow mit dem Mixo-Award)

Den Gin & Tonic Boom verdanken wir neuen, fantastischen Gins, aber auch sensationellem Tonic Water. Im UK hatten sich viele Leute von G&T abgewandt, da im Tonic viel billiger Süßstoff steckte, der zu einem schlechten, bitteren Nachgeschmack beim G&T geführt hatte. Für uns ist das eine große Befriedigung, wenn wir sehen, dass es funktioniert, wenn man richtig gute Produkte wieder zurückbringt.

wad!: Zuletzt waren Cask-Aged Gins der letzte Schrei. Vielleicht ist das der Punkt, an dem ich mich wieder mehr für Gin begeistern kann. Denken Sie doch mal über ein spezielles Tonic dazu nach.

TW: (lacht) Warum nicht? Aber sehen wir doch mal auf jüngere Gingeschichte zurück. Das sind nur 10 bis 15 Jahre. Ich denke, dass wir noch ganz am Anfang einer Ginrenaissance stehen und es noch ein langer Weg ist. Da werden noch viele interessante Entwicklungen auf uns zu kommen.

wad!: Dann lassen Sie uns noch über neue Produkte sprechen. Sie haben ein Elderflower Tonic gemacht?

TW: Ja. Das haben wir im UK schon vor längerer zeit rausgebracht - in Deutschland erst jetzt. Nun, Holunderblüten sind eine klassische Zutat für englische Softdrinks und selbstgemachte Limonaden. Wir wollten ein neues Tonic, aber die Holunderblüten sollten den Geschmack des Tonics und auch eines möglichen G&T nicht overpowern. Die Holunderblüten sollen also nur einen kleinen, interessanten Touch dazu geben. Das ist vielleicht keine Geschmacksrichtung für die ganze Welt, aber in Deutschland sollte man das verstehen. Wir haben da große Hoffnungen.

wad!: Ich trinke Ihr Mediterranean Tonic gerne als kleine Erfrischung. Das hat auch nur einen kleinen Touch. Aber der macht es eben interessant. Und das variiert von Tag zu Tag bei mir - mal stehen die Gewürze mehr im Vordergrund und mal die Citrusnoten. Und das Ding ist super geeignet bei floralen Gins.

TW: Ja genau. Wir haben das ja auf Bitten der Vodkaindustrie gemacht. Freut mich, dass es Ihnen schmeckt. Was sagen Sie zum Ginger Beer?

wad!: Nun, ich liebe Rum. Aber Rum & Coke geht bei mir gar nicht. Für einen Dark & Stormy oder ähnliches braucht es natürlich ein sehr gutes Ginger Beer.

TW: Ich glaube, Dark & Stormy ist noch relativ unbekannt. In den USA haben wir großen Erfolg mit Moscow Mule.


Undsoweiter. Ich will den geneigten Leser nicht weiter langweilen oder gar vergraulen. Auf jeden Fall war es sehr aufschlußreich mit Tim zu plauschen und selber auch noch die ein oder andere Undergroundinformation rauszulassen. Falls er mich für einen Vollidioten gehalten hat, hat er es sich - ganz smarter Gentleman - nicht anmerken lassen. Tim war natürlich besonders stolz 2014 auch noch einen Mixology Award abgestaubt zu haben. Gratuliere.

Mir ist bewusst, dass mancher beim Überfliegen dieser Zeilen gedacht hat: "Was labert der eigentlich über fcuking Elderflowerzeug. Das hat Thomas Henry doch schon seit Jahren laufen." Stimmt. Daher zum Abschluss noch eine kurze Gegenüberstellung:

Fever-Tree Handpicked Elderflower Tonic Water - Frischer Citrusduft, feine Perlage mit einem Blumensträußchen zu Beginn, dann herrscht die angenehme Säure, langer Abgang, die Säure ist weg, Chinin, Chinin, Chinin.

Thomas Henry Elderflower Tonic - Weniger intensiver Duft, grobperligere Struktur, weniger Blume, runder, etwas süßer, dann herrscht Säure vor, die bleibt dann auch lange erhalten, spät kommt nur noch Chinin durch.

Und, weil es kein Tonic Water, sondern eine Elderflowerlimo ist:

Fentiman's Wild English Elderflower - Zurückhaltend in der Nase, schöne Perlage, mehr Holunderblüte aber nicht zu blumig, sondern fruchtiger, im Abgang säuerlich, rund und schön auch ohne Chinin.