Montag, 23. Februar 2015

Neuer deutscher Rum? - Ja, bitte mehr davon!

Beim ersten Glas da sagte er: "Cherie".
Beim zweiten küßte er mich so wie nie.
Beim dritten dann - wie dumm
- fiel mein Casanova um
und Schuld daran war ganz allein der Rum.
 


Barbados
der Rum von Barbados
 

du trinkst ihn ahnungslos 
schon ist der Teufel los.
 

Oh-oh-oh Barbados 
der Rum von Barbados 
der schafft den stärksten Mann - mal irgendwann. 

Er sagte mir: "Ich trink ihn nie mehr pur
ich kann ihn schon verkraften aber nur
mit Cola und mit Eis." - Ja das machte er sich weis
 


am nächsten Morgen sagte er ganz leis:  
Barbados
der Rum von Barbados
 

du trinkst ihn ahnungslos 

(Gaby Baginsky, Der Rum von Barbados, 1979)

Über die Erfolge des hier zitierten Schlagers bin ich mir nicht ganz im klaren und ob der neue deutsche Rum in der näheren Zukunft Hitpotential hat, möchte ich heute auch noch nicht abschließend beantworten. Dafür ist das Thema zu frisch. Neuer deutscher Rum? - Ja, unsere umtriebigen Schnapsbrenner machen nicht nur vor Whisky und Gin nicht halt, nein jetzt wird auch noch die Rumkategorie beackert.
(Der Gute Pott um 1970)
Das haben die norddeutschen Blendingfirmen - ganz oben mit der Marke Der Gute Pott - schon über 100 Jahre lang gemacht. Allerdings haben die in der Regel nur Importprodukte - vorzugsweise German Style Rum aus Jamaika - mit mehr oder weniger Neutralalkohol verschnitten und so die Marktführerschaft in Deutschland erlangt. Von der DLG gab es für Pott zuletzt den Titel "Bester Rum des Jahres" und andere goldene Preise. Gratuliere. Nicht zu diesen fragwürdigen Auszeichnungen, sondern zu den Anfang der 1970er Jahre abgefüllten 20jährigen Jamaikarums, die als Pott Privat Rum in begrenzter Auflage in den Handel kamen. Schöne Sache und für Rumhistoriker ein Muss-Haben (Ebay is your friend).

Doch zurück zur Gegenwart. Es gibt mittlerweile Rum, der in Österreich gebrannt wird (Nein, nicht Stroh oder dessen Surrogate aus Neutralalkohol, Aromastoffen und viel Farbe). Auch aus Dänemark wird dort destillierter und gelagerter Rum vermeldet. Was fehlte war Rum, der in Deutschland hergestellt wird. Diese Lücke versuchen findige Brenner zu schließen. Zum einen ist das das Haus Alt Enderle mit sechs verschiedenen Abfüllungen und der Feinbrenner Severin Simon mit drei Rumvariationen. Das ist doch was!

Fangen wir mit dem Bayern aus dem Spessart an. Der Rum aus Simon's Feinbrennerei wird in einem Onlineshop u.a. so beschrieben: "...Wer sich für den Simons Bavarian Nordic Rum Valkyrie mit Seltenheitswert entscheidet, setzt auf eine Besonderheit mit einem Geschmack, der sich nur schwer in pauschale Worte fassen lässt." Dass jemand ungestraft sowas schreiben darf? Egal - Es soll ja nicht um das Geschwurbel eines Shopbetreibers gehen, der hofft, mit langatmigen (aber gehaltlosen) Produktbeschreibungen im Googleranking nach oben gespült zu werden.

Severin Simon setzt stark auf lokale Bezogenheit und eine Manufakturphilosophie: Fässer aus Spessarteiche. Das Holz für die Befeuerung der Potstill stammt aus dem eigenen Wald etc. usw. Ich finde das durch und durch lobenswert. Wer noch mehr erfahren möchte, sollte mal im offiziellen Infoflyer nachlesen oder sich gleich den Podcast von WRINT anhören, wo der Brenner/Winzer auch zu seinen Weinen ausgiebig gelöchert wird. Ich konnte Severin Simon, der seit 2012 übrigens eine eigene Verschlussbrennerei sein eigen nennt, noch ein paar zusätzliche Fragen stellen:

whatadrink!: Herr Simon, Sie bieten im Moment drei verschiedene Rumabfüllungen mit jeweils 40% Vol. an. Eine - nennen wir sie "Standardabfüllung" - namens Marinerum, dann den Kalypso, der mit Vanille gewürzt und mit Melasse gesüßt wurde, und den Valkyrie, der eine Lagerung in speziell getoasteten Fässern hinter sich hat (Preise zwischen 35 und 50 EUR für die 0,5l-Flasche). Mein erster Eindruck war: Saubere Brände! Beim Rum wünsche ich mir aber auch Ecken und Kanten - also auch mal ein dreckiges Destillat. Ich würde gerne wissen, wie lange die Lagerzeit jeweils war.
Severin Simon: Mit unserer neuen, großen Brennanlage haben wir im Oktober 2012 begonnen zu arbeiten und das Erste, was gebrannt wurde, war Rum - d.h. die aktuellen Abfüllungen liegen bei knapp über 2 Jahren. Mit Rum geht es bei uns eigentlich erst los. Das was Sie mit dreckig bezeichnet haben, habe ich schon auch im Sinn. Zum Beispiel habe ich mir einen neuen Gärbottich aus Eichenholz bauen lassen und darin soll in Zukunft ein Teil der Melasse unter Verwendung von betriebseigener Mikrobiologie und zugleich längeren Maischezeiten verarbeitet werden. 
 
Auch im Bereich Fassmanagement haben wir noch einiges vor. Durch unsere Weinsparte sind wir in der Lage neue Fässer nach der später geplanten Destillatbelegung zu bestellen, also was z.B. das Toasting angeht, und dann zu überlegen, welcher Wein als Erstbelegung dazu passt. Das ist inzwischen ein eigenes Fassvorbelegungsprogramm geworden. Aber so oder so haben wir da noch Luft nach oben für spannende Sachen ohne dass wir irgendwas kopieren müssen.
 
wad!: Rum oder Whisky im Ex-Weinfass ist ja inzwischen fast alltäglich geworden. Mir haben die wenigen Weine, die wiederum in Ex-Whiskyfässern steckten aber auch sehr gut gefallen. Die Kette der Fassbelegungen ist also über die Jahrzehnte der Lebendauer eines Fasses variierbar und ein altes Ex-Wein- und Ex-Whiskyfass wird vielleicht irgendwann wieder ein gutes Weinfass...  

Severin Simon: Wir bleiben am Ball.

wad!: Ihre Melasse wird von den Tres Hombres per Segelschiff aus der Karibik geliefert. Wann geht das erste Fass mit Simon's Rum zurück ins Ursprungsland des Basisprodukts und wird dort gelagert? Auch die monatelange Schiffsreise wäre ja eine besondere Lagerzeit unter besonderen klimatischen Bedingungen. (Anm. des Verfassers: Was gebe ich denn schon wieder für Tips?)
 
Severin Simon: Das ist wirklich eine Idee, die gar nicht von der Hand zu weisen ist. Wir haben da nur etliche Hürden im Bereich Logistik, Zölle, Steuern etc. gerade wenn es ein Weg ist, der so noch nicht beschritten wurde. Ein Beispiel in dieser Richtung ist der Linie Aquavit.
 
wad!: Ich habe davon gelesen, dass Sie auch Singlecaskabfüllungen (hoffentlich dann auch mit höherem Alkoholgehalt) planen. Wann werden wir diese kaufen können?  

Severin Simon: Das kann man in näherer Zukunft erwarten. So ab einer Lagerzeit von 3 Jahren kann ich mir das gut vorstellen.
 
wad!: Der Kalypso wird mit Vanille aromatisiert und mit Melasse gesüßt. Wie darf ich mir das in der Praxis vorstellen? 

Severin Simon: Ich arbeite hier mit 100-Liter-Fässern, statt der üblichen 225-Liter-Barriques, und es werden tatsächlich echte Tahiti-Vanilleschoten dem Rum beigegeben. Tonkabohnen kommen übrigens auch mit rein. Die frische Zuckerrohrmelasse dient allerdings mehr der Färbung als der Süßung. Wir liegen da bei ca. 50g Zucker pro Liter.
 
wad!: Wie unterscheiden sich die Valkyrie-Fässer von den sonst verwendeten?

Severin Simon: Für unseren Basisrum, den Marinerum, wollen wir die Fasslagerung in ein soleraähnliches System bringen - d.h. wir haben untenliegend zwei 600-Liter-Fässer, die aus Barriques befüllt werden. Das Ziel ist mit unseren beschränkten Möglichkeiten, weil wir weiter ein relativ kleiner Betrieb sind, eine gewisse Kontinuität bei der Qualität hinzukriegen und diese dann auch noch zu steigern. 

Unser Nordic Whiskytoasting haben mein Küfner und ich zusammen ausgetüftelt. Es ging darum einen speckig-rauchigen Grundton zu erzielen. Wichtig ist, dass das komplette Fass also nicht nur die Dauben, sondern auch die Böden getoastet werden. Die Böden sind quasi schon charcoaled, haben also eine dünne, verkohlte Schicht. Die Dauben haben auch ein hohes Toastinglevel - allerdings erreichen wir das mit relativ geringer Temperatur aber dafür langer Zeit der Erhitzung.
Dass man in Baden-Württemberg gern das ein oder andere a bissele anders macht als im Rest der Welt, hat sich herumgesprochen. In Sachen Rum wird aber auch das Basismaterial - sprich: Zuckerrohr bzw. Melasse - benötigt und das kommt eher selten von der schwäbischen Alb (aber wer weiß, was die Klimaveränderung noch mit sich bringt). Beim für seinen Necarrus Single Malt Whisky zuletzt hochgelobten Brennereibetrieb Alt Enderle kam man auf die Idee das Terroir gleich mit der Melasse einzukaufen. So gibt es derzeit drei Rumabfüllungen, deren Melasse jeweils herkunftsrein aus Indien, Paraguay und Siam (Thailand) stammt. Ergänzt wird dieses Portfolio mit einem Rum namens Memory Of The World, der folglich aus einer Melassemischung destilliert wurde und im Ex-Portweinfass lagerte (0,5l jeweils ca. 42-50 EUR). Das klingt doch alles nicht schlecht. Von Joachim Alt gab es noch ein paar Zusatzinfos.
 
wad!: Herr Alt, Sie bieten im Moment vier verschiedene Rumabfüllungen mit jeweils 43% Vol. an. Ich würde gerne wissen, wie lange die Lagerzeit jeweils war, da sich die Rums in der Farbe deutlich unterscheiden und welche Fasstypen und -größen verwendet wurden.

Joachim Alt: Zur Zeit haben wir sogar sechs verschiedene Rums: Siam, Indien, Paraguay, Memory of the World, einen XO und einen weißen Rum. Das Alter liegt ganz verschieden zwischen einem Jahr und zehn Jahren. Die verschiedenen Farben erlangt der Rum unter anderem durch die verschiedenen Typagen also nicht nur durch das Fass.
 
wad!: Ihr Rum wird aus Melasse gebrannt, die aus drei verschiedenen Ländern bzw. Kontinenten kommt. Woher bezieht man so ein exotisches Rohmaterial? Wie wird das angeliefert? Wie sieht es mit der Lagerfähigkeit der Melasse aus und wie läuft die Fermentation ab?

Joachim Alt: Wir bekommen unsere Melassen direkt aus diesen Ländern d.h durch Direktimport und einen direkten Kontakt zu den Zuckerrohrplantagen. In 6 Wochen sind wir deswegen z.b wieder in Indonesien unterwegs. Geliefert wird in 1000-Liter-Containern. Die Lagerfähigkeit ist nahezu unbegrenzt, wobei ich sage: Melasse ist ein Naturprodukt und verändert sich laufend und durch eine allzu lange Lagerzeit wird sie nicht besser. Die Fermentation läuft ganz normal ab: Melasse - Wasser - Hefe - nach drei bis vier Stunden muss sie Gären. Wir haben rund 25.000 EUR in das Know-how zur Melassefermentation investiert, daher möchte ich nicht unbedingt auf das Thema eingehen. Sie verstehen sicher, dass das momentan noch ein großer Vorteil unsererseits ist gegenüber den Kollegen die auch Rum herstellen.
 
wad!: Als Rum- und auch Whiskyfreund gefallen mir hochprozentige Singlecaskabfüllungen sehr gut. Haben Sie beim Rum und ggf. beim Neccarus solche in Planung und haben Sie zukünftig (noch) längere Lagerzeiten im Visier?
 
Joachim Alt: Vielleicht machen wir mal Fassabfüllungen. Die Nachfrage bei uns ist noch relativ gering, deshalb steht dieses Thema nicht unbedingt an erster Stelle. Abgeneigt sind wir allerdings nicht. Letztlich wird eben solange es unserer Meinung nach nötig ist bzw. wie es sich ergibt. Zehn Jahre sind ja immerhin ein Wort für Deutschland.
 
Ja, das stimmt. Ich wusste gar nicht, dass es zehnjährigen Rum aus Deutschland gibt. Welcher nun der Zehnjährige ist, weiß ich aber immer noch nicht. Immer diese Geheimniskrämerei. Bei meiner Frage zur Fermentation hatte ich immer auf neue Infos à la Dundergrube bei der Produktion von Jamaikarum gehofft. 

Nichtsdestotrotz ist das Thema deutscher Rum - wie zumindest ich finde - ein sehr spannendes und hoffnungsfrohes, wenn auch noch recht nerdiges. Es geht aber eben erst los und wer weiß, wie wir in zehn Jahren darüber denken und reden werden.

Und wie haben mir die Kostproben gemundet? Durch die Bank sehr gut. Bei Severin Simon gefiel mir schon der Marinerum mit seinem trockenen Abgang. Der Valkyrie ist schön würzig und hinterlässt wirklich ein schwach-rauchiges, fettes Etwas auf dem Gaumen und der Kalypso ist ein feiner Schmeichler. Der muss einem einfach schmecken. 

Die Alt Enderles kommen ganz anders angelegt daher. Von fruchtig-weinig über exotisch-würzig bis zu deutlichen Schokoladennoten wird eine breite Palette aufgefahren und - das gefällt mir besonders - die mir vorliegenden vier Abfüllungen unterscheiden sich doch grundlegend voneinander. Eine eigene Rumwelt, die zum Entdecken einlädt. Aber das klingt ja schon fast wieder wie ein hirnloser Werbetext... Also, bitte selber probieren!

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