Samstag, 27. Juni 2015

Deutscher Wermut - heute: Der Merwut von Stefan Dorst

"Die Feier war sehr schön. Viele nette Leute waren dort und auch das Essen war hervorragend. Einziger Wermutstropfen: Es waren nicht hinreichend viele Getränke vorhanden." (wiktionary 2015)

Neue Wermutmarken gibt es dieser Tage fast wöchentlich. Aus Italien, Frankreich, Spanien undundund kommen traditionelle und ganz neu entwickelte, nachahmende und eigenständige Kreationen ins Regal der Spirituosen- und Weinhändler. Und hoffentlich nicht nur dort hin. Wenn Gin Bartender's Liebling der letzten Jahre gewesen ist, dann ist Wermut seine New Love.

Vor ein paar Wochen bin ich über Merwut, einen neuen, deutschen Wermut mit 18% Vol. aus dem Hause Dorst & Consorten gestolpert. Gelesen hatte schon vorher davon (auch auf Herrn Wulfs *nomyblog), aber das Ding als "einen dieser neuen Unnötigen" abgetan. Ich lag falsch. Bevor uns der Wein/Wermutmacher Stefan Dorst erklärt, was er eigentlich so macht, und ein paar meiner Fragen beantwortet, möchte ich den Merwut kurz beschreiben.

In der Nase steckt schon ein wenig Kirsche. Am Gaumen wirds dann vielschichtig. Der erahnte Sauerkirschbrand natürlich, dazu etwas süße Birne, Erinnerungen an Weihnachten und Lebkuchen, aber nur eine Spur davon. Gekühlt freilich etwas zurückhaltender. Und Wermut. Aber nicht brachial wie zuletzt beim Pontica Red Vermouth von Reini Pohorec, der mit Tür und Türstock ins Haus fällt (und dann nicht mehr gehen mag), sondern rund und würzig und angenehm weinig-aromatisch. Ein Aperitiv für sich - mit ein bisschen Eis. Etwas Zitronenschale vielleicht. Klassische Wermutdrinks gelingen, sind aber logischerweise von leichterer Aromatik. Campari als Gegenspieler sollte man mit Gefühl bemessen.

Herr Petri im Les Fleurs Du Mal bastelte schnell einen Wermutcocktail damit. Etwas Maraschino, Orangebitters (oder auch ein Tick Lemonbitters für mich), ein Barlöffel Orange Curacao (oder auch Herrn Kellers Triple Sec aus der Stählemühle) gequirlt auf Eis und schon hat man mit einem Stückerl Zeste eine weitere Dimension geschaffen. Ja, das geht.

whatadrink!: Stefan Dorst, Sie werden in der Fachpresse offenbar gerne als Négociant bezeichnet. Wie würden Sie Ihr heutiges Berufsbild beschreiben und was sind die Ziele von "Dorst & Consorten"?

Stefan Dorst: Das mit der Fachpresse ist so einen Sache. Es hat mal einer diesen Ausdruck benutzt, weil ich meine Weine nicht klassisch im nicht existenten Weingut herstelle, was einfacher zu beschreiben wäre, sondern eigentlich in mehreren Kellern in Kooperation mit befreundeten Winzern. Ich bin jedoch kein Négociant, weil ich nicht nur irgendwelche Weine zukaufe und mein Etikett draufklebe, ganz und gar nicht, sondern die Weine entstehen aus der Kooperation mit Winzerkollegen und mir, unter meiner Ägide und mit meiner aktiven Mitarbeit. Dass dann der eine vom anderen „abschreibt“ und sich der falsche Begriff Négociant vervielfacht, ist ein Beispiel von teils oberflächlicher Medienlandschaft. 


Mein heutiges Berufsbild, das ich die letzten 20 Jahre praktizierte und immer weiter verfolge ist in der Tat sehr vielfältig. Was ich eigentlich am besten kann, ist Weine herstellen, eigentlich banal. Jedoch vergleiche ich meine Vorgehensweise mit der eines Komponisten oder Dirigenten. Je mehr Instrumente einem zur Verfügung stehen, desto variantenreicher kann ein Musikstück werden. Ist man dann noch in der Lage aus dem Stehgreif verschiedenste Stilrichtungen zu spielen, wird das Ganze umso komplexer, variationsreicher, vielschichtiger und - um letztendlich wieder zu den Weinen zurück zukommen - schmeckt es besser.


Zu meinem Berufsbild: 


 - Einerseits betreue ich Weingüter in verschiedenen Länder als beratender Oenologe/Kellermeister/Weinmacher. Bei meinen Hauptjobs bin ich verantwortlich für die Qualität der Weine, bei anderen bin ich beratend tätig.


- Zum anderen betätige ich mich als „Personaltrainer“ für junge Kellermeister, denen ich mit Rat und Tat im Hintergrund zur Seite stehe und Tips, Anregungen und Hilfestellungen gebe, da ich auf ein Erfahrungsreservat von vielleicht über 80 betreuten Weinernten in den vergangenen 25 Jahren zurückgreifen kann. Diese Anzahl summiert sich aus teils 3-5 Ernten innerhalb eines Jahres hintereinander, teils auch in der nördlichen und südlichen Hemisphäre. Nicht dass das Weinmachen sich nur auf die Erntezeit beschränkt, ein guter Wein ist die Aneinanderreihung vieler Schritte von der Pflanzung eines Weinbergs bis zur Flaschenabfüllung, die zum richtigen Zeitpunkt  durchzuführen oder auch zu unterlassen sind. Das wird nicht gleich jeder verstehen, in der heutigen modernen Weinwelt wird häufig immer noch zu oft und zu weit, sei es mit angeblich moderner Technologie oder mit feinsten Zusätzen  in die natürliche Weinbereitungsform eingegriffen, dass es oft zu empfehlen gilt, dass weniger mehr ist. 


- Weiterhin bin ich auch Auftrags-Winemaker, dass heißt ein Weingut kommt auf mich zu und möchte zum Beispiel eine Premiumlinie neben ihren Standardweinen im Sortiment haben. Das sind Herausforderungen, die ich sehr gerne annehme, sozusagen High-End- Vinifizierungen.   


- Auch führe ich qualitative Bewertungen von Weinerzeugern durch, also ein Weingut auf „Herz und Lunge“ zu prüfen und Ansätze gegeben, was man zukünftig im Betriebsablauf verbessern kann, um bessere Weine und vielleicht daraus resultieren ein besseres Betriebsergebnis zu erzielen. 


- Aber kommen wir zu einem meiner Lieblingsbetätigungsfeldern: Dorst & Consorten ist ein „oenologischer Playground“, wo Weine und Produkte in konstruktiver Zusammenarbeit erzeugt werden, die normalerweise nicht oder kaum in dieser Art existierten. Ein Konsortium beschreibt auch unsere Art der Kooperation sehr treffend. Ein Konsortium ist eine themenbezogene Zusammenarbeit zweier Partner, die für diese spezielle Aufgabenstellung ihr Bestes einbringen, jedoch jeder selbstständig bleibt. Dorst & Consorten will auch eine Plattform für junge Weinerzeuger sein, die hochmotiviert sind, doch mit einem gemeinsamen Auftritt leichter nach oben finden.


- Ebenso möchte ich mit dieser modernen Kooperationsform mit meinen befreundeten Konsorten, die auf Offenheit und loyaler Zusammenarbeit basiert, den verkrusteten alten Hierarchiestrukturen in der Wein- und Geschäftswelt entgegentreten. Also weg vom verborten Einzelkämpfer, hin zu konstruktiver Teamwork.


- Sicherlich ist MERWUT ein perfektes Beispiel der Innovationswilligkeit unseres Konzepts. Obwohl Wermut ja eher bei den „aussterbenden Getränken“ auf der Roten Liste stand, erfreut es sich nicht zuletzt durch unseren MERWUT einer Renaissance. 


- „Korrekte Drinks“, sprich ausgezeichnete Weine und Getränke sind selbstredend eines der Ziele und Anforderungen, die wir uns setzen.

wad!: Ihrer Vita entnehme ich, dass Sie in Sachen Wein ganz schön rumgekommen sind. Die Inspiration zum Merwut, Ihrem Wermutwein, haben Sie sich in Spanien geholt. Mit den spanischen Wermuts, die ich kenne, hat Ihr Merwut aber nicht viel gemein und er ist - bitte entschuldigen Sie - weder ein richtiger süßer roter noch ein trockener weißer Wermut. Wo sehen Sie Merwut angesiedelt und welche Weine stecken eigentlich in der Flasche?

SD: Richtig ist, dass mir auf meinen Spanienexkursionen - ich betreue seit 1998 eine Bodega in Spanien, genauer gesagt Venta d´Aubert in Aragon (www.ventadaubert.com), und baue seitdem dort verantwortlich die Weine aus. Somit bin ich seitdem ca. 8 x im Jahr in Spanien vor Ort. Man kommt dort nicht umhin, auch mal ab und an in eine der vielen Dorfbars zu gehen, was zu den sozialen und kulturellen Einrichtungen dort auf dem Land zählt, wo man in den Dörfern noch viele noch häufig mittelalterliche Strukturen und Bauten erkennt. Allmorgendlich findet man dort die Rentner bei ihrem Café und ihrer Zeitung, meist auch ein Carajillo. Häufig wunderte ich mich über ein weiteres Getränk, was diese alten Männer zu sich nahmen, traute mich jedoch jahrelang nicht dran, von diesem ominösen braunen Getränk, meist aus Plastikkanistern serviert, zu kosten. 


Bis ich eines Tages doch dieses Getränk als Wermut empfohlen bekam und ich von der Qualität und dem Geschmacksbild begeistert war. Jedoch sind diese, wie sie richtig feststellen, meist dunkler und teils auch süßer. Weil sie meist mit Sprudelwasser verdünnt werden, passt dies jedoch. In Anlehnung an diese Wermut forschte ich nach alten Rezepten und wollte meinen Wermut machen, der eleganter erscheinen soll und auch noch die Qualität des Grundwein erahnt werden kann und nicht zuplakatiert wird. So ist nach zweijähriger Versuchszeit der erste MERWUT erschienen. Die ersten Versuche führte ich in Spanien aus, da ich jedoch auch in der Pfalz auf passende Grundweine der Konsorten, aber auch aus eigenen Versuchsweinbergen zurückgreifen kann, stelle ich ihn in Deutschland her.       

wad!: Kommen wir zur Herstellung. Das Wermutkraut wird im Wein eingelegt. Parallel dazu wird ein Kräuterauszug (oder mehrere?) hergestellt und am Ende das Ganze vermischt und mit Zucker abgerundet. Ist das grundsätzlich richtig oder vereinfache ich zu sehr? Oder ich frage so: Was können Sie uns über Ihr Rezept und das Prozedere verraten ohne möglichen Konkurrenten allzu viel preiszugeben?


SD: All zuviel will und darf ich nicht verraten, nicht weil ich mich als Eigenbrödler dastellen will, sondern vielmehr weil ich selbst noch im Anfangsstadium meiner Wermutproduktion bin und etliche Versuche noch laufen habe. Richtig ist, dass Kräuteraromen, ähnlich der Teebereitung - jedoch kalt - im mit Alkohol versetzten Grundwein extrahiert werden. Die Zusammensetzung dieser Komponenten prägt letztendlich maßgeblich dieses Getränk. Aber wie gesagt, da die derzeitige Komposition schon sehr gelungen ist, geht es mehr um Finetuning, wozu ich parallel etliche verschiedene Ansätze mache.

wad!: Mal angenommen ich hätte eine Bar und würde mir einen Wermut mit einem besonderen Geschmacksprofil wünschen, den es so bisher nicht zu kaufen gibt. Könnte ich den zusammen mit Dir (bezahlbar) entwickeln oder ist das eine absurde Idee?


SD: Grundsätzlich bin ich, soweit es meine Zeit zulässt, zu allen Schandtaten bereit. Zumal dieses ja auch eines der Ziele des Dorst & Consorten Konzepts ist, immer auf der Suche nach neuem Innovativen doch auch zurück zu dem Traditionellen und Vergessenen.


Zu beziehen gibts Merwut für 25 EUR / 0,75l direkt bei Herrn Dorst (Wenn Sie Gastronom sind, sollten Sie nach der Gastropreisliste fragen) und ausgewählten Fachhändlern. Auch die Firma Barfish sollte Merwut demnächst listen.

Freitag, 26. Juni 2015

Yuzu- und Mora-Superfruchtlimonade (aus Nördlingen)

Sommerpause bei whatadrink! - Nein, doch nicht. Hier ein Tip in Sachen Sommerlimonade. Kann man selber machen - muss man aber nicht, wenn das käuflich erworbene Gesöff was taugt.

Die Firma Mölle aus Nördlingen ist seit Jahrzehnten für ihre alkofreien Produkte bekannt. Waren es in den 60ern eine Limonade, die im Volksmund "Gschbusi" genannt wurde, waren es später Lizenzprodukte von Afri-Cola/Bluna, VC etc. Seit einigen Jahren gibt es allerlei Neues, wie z.B. selbstkreierte Biolimonaden. Neben einer Guanabana-Limo (siehe Galileo-Beitrag) gibt es jetzt noch etwas Einzigartiges: Eine Yuzu- und eine Mora-Limo. 

Kennen Sie Yuzu? Das ist eine asiatische Supercitrusfrucht. 100%iger Yuzusaft wird in unseren Breiten für 50-60 Eur die Flasche gehandelt. Und wir reden von 500ml-Flaschen! Aufmerksame Leser dieser Publikation haben schon vor Jahren von einem Yuzu-Sake-Likör gelesen (und sich hoffentlich ein Flascherl gekauft). Aber zurück zur Limo. Die kommt mit satten 12% Yuzusaft und ist eine nunmal wirklich trübe Sache, aber dafür auch "energetisiert mit Quanten-Energie-Resonanz-Kristallen Q-ERK®". Alles klar? - Äh ja. Klar ist auch das Aromenbild in der Nase: Yuzu! Und am Gaumen: Yuzu! Sauer, zestig, perfekt! Das alles mit ganz wenig Kohlensäure und zu einem fairen Preis.

Die nächste Superfruchtlimonade beinhaltet 20% Morapüree. Mora De Castillo um genau zu sein. Dahinter versteckt sich die Andenbrombeere (nicht: Andenbeere / Physalis). "Achja", werden Sie vielleicht sagen, da Sie gerade aus Südamerika zurück gekommen sind. Für alle anderen: Auch diese Limo ist eben gerade nicht superblubberig, sondern angenehm still und wirkt durch den dezenten Brombeerengeschmack äußerst natürlich. Bei der Kohlensäurezugabe hat man sich wirklich zurückgehalten. Sehr löblich. Wie auch der Yuzustoff braucht die Moralimo neben der Zugabe von Wasser und Kohlensäure lediglich ein abrundendes Süßungsmittel. Hier ist es Invertzucker, bei Yuzu ist es Agavendicksaft. Kein Apfel- oder Traubensaft als "Füller".

Mein Fazit: Das sind beides ausgezeichnete Getränke, wie sie der Großstädter in diesen Tag konsumieren sollte. Auch der Look der unschuldigen 0,33l-Mehrwegflasche und die klarformulierten Etiketten bitten förmlich um eine Berücksichtigung im Späti an der Ecke oder zumindest einem isarnahen Kiosk. Whatadrink!